Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
ich Gäste aus allen Teilen des Hauses herbeiströmen und sich in den großen Salon drängen, um zu den Rolling Stones zu tanzen.
Unwillkürlich fiel mir mein Vater bei meiner ersten Hochzeit ein, und ich bekam feuchte Augen. Er hatte damals so wild zu »Brown Sugar« getanzt, dass er sich das Kreuz verrenkte und auf eine Tür geschnallt nach Hause gebracht werden musste. Daisy entdeckte ich das nächste Mal, als sie mitten auf der Tanzfläche mit Fairfax-Lycett zu »I Will Survive« tanzte. Allerdings war die kollektive stimmliche Wucht der mit Gloria Gaynor mitsingenden Frauen so heftig, dass die Männer – abgesehen von ein paar ganz offensichtlich Schwulen – rasch die Tanzfläche verließen, sich an den Rand stellten und zusahen. Der DJ (Craig Puddleton von der Kfz-Werkstatt) brüllte ins Mikrofon: »Los, Mädels! Gebt’s den Scheißern!«
Und dann stellten alle Frauen – zu meiner Verblüffung, denn ich wusste, es war nicht geprobt worden – Blickkontakt zu den Männern her und schrien: »I DON’T WANT YOU ANY MORE!«
Nach dem Ende des Lieds gab es viel weibliche Solidaritäts bezeugungen, es wurde geküsst und geherzt. Selbst Wendy Wellbeck erhob die Faust gegen ihren Ehemann. Ein paar Minuten später, als ich gerade aus dem Bad im Erdgeschoss kam, hörte ich einen Wagen quietschend auf dem Kies zum Stehen kommen. Neugierig ging ich zum Eingang und sah Pandora einem Kellner ihren Schlüssel mit den Worten zuwerfen: »Park ihn bitte irgendwo für mich, Schätzchen.« Sie trug ein enges rotes Kleid mit Strassträgern, und ihr Haar war mindestens dreimal so voluminös wie normalerweise. Sie sah wirklich sehr schön aus.
»Was hast du mit deinen Haaren gemacht?«, fragte ich.
»Das nennt man Frisieren, Adrian. Was machst du denn hier? Auf Du und Du mit dem Landadel?«
»Daisy ist die persönliche Assistentin von Fairfax-Lycett«, erklärte ich.
Mit Blick auf die anderen Gäste fragte Pandora gedehnt: »Trägst du diesen Anzug aus Protest oder so?«
Wir stellten uns in den Türrahmen zum Salon.
Mit Blick auf Daisy meinte Pandora: »Ist das Absicht, dass ihre Brüste sich außerhalb des Kleides befinden?« Dann wandte sie sich wieder mir zu. »Und, wie läuft es mit dem großen K?«
Ehe ich antworten konnte, kam ein kleiner dicker Mann mit gekränkter Miene auf Pandora zu und sagte: »Die haben das Schlagloch in Cossington Lane immer noch nicht ausgebessert. Sie haben doch gesagt, Sie würden an die Stadtverwaltung schreiben.«
»Diese grässlichen Leute von der Stadt«, säuselte Pandora. »Sobald das Parlament wieder zusammentritt, werde ich es dem Minister für Straßenbau und Schlaglöcher persönlich vorlegen.«
Als Nächstes flötete eine Frau in einem grünen Pailletten oberteil: »Ich habe Sie in Question Time gesehen, Miss Braithwaite. Diesem Norman Tebbit haben Sie aber ganz schön die Hölle heißgemacht.«
»Ach, Norman ist eigentlich eine große Schmusekatze«, flötete Pandora zurück.
Als die Frau weg war, sagte Pandora: »Ich war schon seit einem Jahr nicht mehr in Question Time . Sie verwechselt mich mit jemandem.«
»Aber wie kann man dich verwechseln? Es gibt niemanden auf der ganzen Welt, der dir auch nur entfernt ähnlich ist.«
Jetzt brüllte Craig Puddleton: »Holt euch noch schnell was zu trinken. Es ist fast Mitternacht.«
Ich sah auf die Uhr. Es war 23:55. Eilig entschuldigte ich mich bei Pandora und hastete auf die Toilette im Erdgeschoss. Da dort schon eine Schlange stand, rannte ich nach oben zu dem Bad neben Daisys Büro, wo allerdings die Tür abgeschlossen war. Also lief ich nicht enden wollende Flure hinunter, bis ich die Musik von unten kaum noch hören konnte. Inzwischen war mein Bedürfnis wirklich dringend geworden, und ich wurde immer verzweifelter. Ich machte alle Türen auf und knipste Lichter an, aber keines der Schlafzimmer hatte ein angeschlossenes Bad. Schließlich rannte ich noch eine Treppe hinauf und landete vor einer Reihe kleinerer Zimmer, offenbar Dienstbotenräume. In einem davon fand ich ein Waschbecken und, Tagebuch, obwohl ich es nur höchst ungern bekenne, erleichterte mich in besagten Behälter. Ich war beinahe fertig, als ich den ersten Schlag der Kirchenglocke hörte. Es dauerte weitere drei Schläge, bis ich ganz fertig war. Dann rannte ich aus dem Zimmer und die Treppen hinunter, im Laufen an meinem Reißverschluss zerrend. Beim zwölften Schlag und dem darauffolgenden Jubelgeschrei hatte ich die oberste Stufe der letzten Treppe
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