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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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fünfzigminütige Sitzung durchgegähnt hatte.
    »Martha Richards ist ein anderes Paar Stiefel. Sie ist eine gute Frau. Und jetzt erzählen Sie mal von Ihrer Prostata. Wie geht es ihr?«
    Bei ihm klang das, als hätte meine Prostata ein Eigenleben, ginge einkaufen, führte eine Beziehung.
    »Ich hoffe, sie schrumpft«, sagte ich.
    »Das wollen wir uns wünschen. Bis zum Winter müssen Sie sich die Haare wieder wachsen lassen.«
    Bereits im Gehen sagte er verschwörerisch zu mir: »Mr. Mole, beim nächsten Mal heiraten Sie eine hässliche Frau. Die nimmt Ihnen dann niemand weg, versprochen.«
    Freitag, 28. März
    Musste mein Bett verlassen, um zur Chemo zu fahren. Bernard kam mit, weil meine Mutter sich bei Toni&Guy die Haare schneiden lässt.
    Den Friseursalon im Dorf hat sie nicht mehr aufgesucht, seit Lawrence ihr empfohlen hat, sich einen Stufenschnitt machen zu lassen, weil es »dem alternden Gesicht mehr schmeichelt«.
    Bernard hatte sich Der menschliche Faktor von Graham Greene für die Wartezeit mitgebracht. Er bot an, mit ins Behandlungszimmer zu kommen und mir laut vorzulesen, aber ich dankte ihm und erklärte ihm, ich würde mir die BBC-Reportagen In Our Time von Melvyn Bragg auf meinem kleinen Walkman anhören.
    »Du bist richtig versessen auf Weiterbildung, was, junger Freund?«
    »Wegen elterlicher Nachlässigkeit habe ich keine gute Ausbildung genossen und war gezwungen, Autodidakt zu werden.«
    Der Bursche, der mich an den Chemo-Tropf anschloss, kam von den Philippinen.
    Ich fragte ihn, ob er schon lange in Leicester wohne.
    »Leider ja, ich wohne hier schon seit vierzehn Jahren.«
    Ich fragte ihn, warum er nicht zurück nach Hause gehe.
    »Ich wurde von meinem Vater ausgewählt, eine Ausbildung zu erhalten. Jetzt muss ich mein Gehalt nach Hause schicken. Siebzehn Familienmitglieder werden von dem Geld durchgefüttert.«
    Später, als ich Melvyn Bragg lauschte, wie er eine Akademikerrunde zur Auflösung der Klöster befragte, dachte ich mir, dass im einundzwanzigsten Jahrhundert in England zu leben vergleichbar mit einem Lottogewinn war.
    Als ich zu Bernard ins Wartezimmer ging, wischte er sich gerade die Augen mit einem schmutzigen weißen Taschentuch.
    Er hielt das Buch hoch. »Das musst du lesen, Junge. Mr. Greenes Held ist so edel, so anständig, so verflucht englisch .«
    Die Wechselseitigkeit unserer Gedanken machte mich sprachlos.
    Ich rief meine Mutter auf dem Handy an, und sie sagte, es habe ein Problem mit ihren Strähnchen gegeben, aber der Friseursalon bemühe sich gerade, den Fehler auszubügeln.
    Es folgte eine kurze Auseinandersetzung im Hintergrund, dann sprach ein Mann mit australischem Akzent in den Hörer: »Nur damit Sie im Bilde sind, Sir, der Fehler lag nicht bei uns. Ihre Mutter hat bezüglich eines Hauttests gelogen, und hinterher hat sie auch zugegeben, sich vor einer Woche zu Hause die Haare gebleicht zu haben, weswegen unser Salon nicht verantwortlich für den momentanen katastrophalen Zustand der Kopfhaut Ihrer Mutter sein kann.«
    Ich bat ihn, mir wieder meine Mutter zu geben. »Mum, warum kannst du dich nicht an die Regeln halten?«
    »Ach, die regen sich hier völlig künstlich auf. Meine Kopfhaut reagiert immer auf Bleiche. Vierundzwanzig Stunden lang tut es höllisch weh, dann beruhigt sie sich wieder und heilt ab. Wo ist das Problem?«
    Ich fragte sie, wo sie das Auto geparkt habe.
    »Auf dem Behindertenparkplatz vor dem Geschäft.«
    Als ich einwandte, der Platz solle eigentlich für Invalide frei bleiben, gab sie zurück: »Heute Morgen habe ich mich aber wie eine Invalide gefühlt. Dein Vater und ich haben gestern Abend jeder mehrere Flaschen White Lightning geschluckt.«
    Später in Dougie Horsefields Taxi auf dem Weg nach Hause fragte ich Bernard: »Was ist White Lightning?«
    »Wenn du einen obdachlosen Herrn siehst, der nach Urin stinkt und eine offene Wunde am Ansatz des Nasenrückens hat, kannst du dich drauf verlassen, dass White Lightning sein bevorzugtes Parkbank-Getränk ist.«
    Dougie lachte und meinte: »Ihre Eltern sind auf der schiefen Bahn.«
    Zu Hause ging ich sofort ins Bett. Bernard brachte mir ein paar Eiswürfel für meinen Mund und bot an, eine Dose Hühnersuppe mit Nudeln warm zu machen.
    Um zehn stand ich auf, um mit Bernard die Nachrichten auf BBC anzuschauen. In Heathrow wurde gestern das neue Terminal fünf eröffnet. Das Fernsehen zeigte chaotische Szenen, der Verkehr im Umkreis des Flughafens brach völlig zusammen, Flüge wurden

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