Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
Pandora, in zartgrauen Kaschmir gehüllt, herein schlenderte, im Vergleich dazu ein winziges bisschen vulgär aussah. Die Atmosphäre war so kühl wie die Flasche 2005er Cuvée des Vignerons Beaujolais, die ich versehentlich in den Kühlschrank gestellt hatte.
Pandora wollte die »Geschichte« von meiner Prostata hören. Mitten in meiner Erzählung unterbrach sie mich: »Dazu brauche ich verdammt nochmal eine Kippe, aber ich hab meine in der blöden Karre vergessen.« Daisy schob Pandora ein Päckchen Silk Cut hin. Es war die erste umgängliche Geste der beiden Frauen an diesem Abend.
Als ich meinen Bericht mit Dr. Wolfowicz’ Philosophie, dass wir alle uns vom Augenblick unserer Geburt an im Prozess des Sterbens befinden, beendete, fing Pandora an zu schluchzen, legte den Kopf auf den Tisch und warf beinahe ihr Weinglas um. Ich wartete darauf, dass Daisy sie trösten würde, aber da sie keine Anstalten machte, stand ich auf und stellte mich neben Pandora. Sie schlang ihre Arme um meine Taille und durchweichte mein Hemd mit ihren Tränen. Ich muss gestehen, Tagebuch, dass ich selbst den Tränen nahe war, aber als ich aufblickte, bemerkte ich mit einem kalten Schauder, dass Daisys Augen trocken waren und ihre Miene eine, wie ein neutraler Beobachter es nennen würde, eisige Gleichgültigkeit verströmte.
Pandora blieb bis zwei Uhr morgens, lange nachdem Daisy ins Bett gegangen war. Sie sprach von den alten Zeiten, als wir beide 13 drei Viertel waren und uns ineinander verliebten.
»Ich war total besessen von dir«, erzählte sie. »Ich konnte an überhaupt nichts anderes denken. Ich lebte nur für den nächsten Moment, in dem ich einen Blick auf dein Nerd-Gesicht erhaschen würde. Du warst der erste Mensch, der je meine Brustwarzen gesehen hat.«
»Nein«, korrigierte ich, »du hast mir nur deine linke Brustwarze gezeigt.«
Ich versuchte, ihr etwas politischen Klatsch und Tratsch zu entlocken, vor allem wollte ich mehr über Gordon Browns Gemütsverfassung hören. Hielt sie ihn für gefährlich labil, wie einige der Zeitungen behaupteten?
»Ein bisschen verrückt muss man schon sein«, entgegnete sie. »Das ist ein grauenhafter Scheißjob. Hältst du mich für wahnsinnig, weil ich eines Tages der erste weibliche Labour-Premier werden will?«
»Ich dachte, die Politik muss dir zum Hals raushängen – du bist ja so gut wie nie in deinem Wahlkreis.«
Pandoras Augen glitzerten. »Ja, schon, aber Westminster ist wie ein Rausch. Nur sehr unwillig verlässt man es zugunsten der öden Provinz.«
Das entrüstete mich. »Die öde Provinz war es, die dieses Land reich gemacht hat. Dr. Johnson kam aus Lichfield, Shakespeare aus Stratford-on-Avon. Und der Wissenschaftler, der den genetischen Fingerabdruck entdeckt hat, Dr. Alec Jeffreys, kommt sogar aus Leicester!«
Tagebuch, ich war froh, als sie ging. Die Ereignisse des Tages hatten mich erschöpft, und der Käse aus dem Shepherd’s Pie hielt mich noch eine ganze Zeit lang wach.
Waren mittags im Bear Inn essen. Ich bin ihre Sonntagsbraten leid und entschied mich daher für das Thai Special. Es schmeckte wie die schwarze Seife, mit der meine Mutter mir früher sonntagabends in dem vergeblichen Bemühen, Läuse von mir fernzuhalten, immer die Haare gewaschen hat. Aber was will man auch von einem Koch namens Lee erwarten, der nur ein Diplom in Kochen mit der Mikrowelle von der Volkshochschule hat.
Irgendwie hat sich die Nachricht von meiner Krankheit im Dorf herumgesprochen. Ich bezweifle, dass Dr. Wolfowicz die Angewohnheit hat, über seine Patienten und ihre Leiden zu sprechen, daher habe ich Mrs. Leech im Verdacht. Es kann nur sie gewesen sein. Ich hätte gute Lust, mich bei der Ärztekammer zu beschweren. Mehrere Dörfler kamen zu uns an den Tisch und unterhielten sich mit mir, wobei sie mich ansahen, als nähmen sie Maß für meinen Sarg. Wobei ich die Aufmerksamkeit ein klein wenig auch genossen habe.
Als ich meinen Vater und Gracie aus dem Pub nach Hau se schob, traf ich die Timbuktu-Frau. Sie fragte mich, ob Gracie adoptiert sei, und ich scherzte, dass Gracie, soweit ich informiert sei, meine DNS trage.
In einem kläglichen Versuch, witzig zu sein, ergänzte mein Vater: »Wobei man das in unserer Familie nie so genau weiß.«
Die Timbuktu-Frau, deren Namen ich vergessen habe, sagte: »Sie sieht Ihnen überhaupt nicht ähnlich, sie ist so dunkel, sehr dunkel, wie ein Zigeunermädchen.«
Daran nahm mein Vater Anstoß. »Gehen wir jetzt nach Hause oder
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