Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
Pearl. Bei Einbruch der Dunkelheit werden alle Dorfausgänge für Autos gesperrt.« Hastig befestigte Mrs. Pearl ihren Hut wieder auf dem Kopf, nahm ihre Autoschlüssel und ging.
Rosie brach in lautes Gelächter aus und sagte: »Dad, du bist echt der Hammer!«
Rosie und Mad Dog Jackson haben die Seiten gewechselt und sind jetzt keine Hippies mehr, sondern Goths. Meine Mutter sagte, Rosie sehe gut aus, was Rosie nicht als Kompliment nahm, weil sie wie jemand auszusehen versuchte, der erst kürzlich dem Grab entstiegen war.
Mein Vater hatte das dümmliche Lächeln auf dem Gesicht, das er immer hat, wenn Rosie in der Nähe ist. »Du bist wie dein Vater, Rosie«, sagte er, »wir halten uns beide nicht gern an die Regeln.«
Mad Dog lümmelte sich aufs Sofa und drehte sich eine Zigarette aus Tabak, den er aus einer mit Totenschädeln geschmückten Dose nahm. Als meine Mutter ihn mit Mad Dog ansprach, verbesserte er sie: »Das war in einem anderen Leben, Pauline. Ich heiße jetzt Banshee.«
Später zu Hause habe ich das Wort gegoogelt und fand zu meiner Beunruhigung heraus, dass eine Banshee ein überirdisches Wesen ist, das schreit, wenn bald jemand stirbt.
Montag, 22. Oktober
Rosie – die Gott sei Dank immer noch Rosie heißt – kam gestern Abend vorbei, um sich ein paar Zigaretten von Daisy zu leihen. In der Wärme der Küche verströmte sie einen stechenden Geruch und kratzte sich ununterbrochen am Kopf.
»Ich hoffe, du hast keine Läuse, Rosie«, bemerkte ich. »Wir sind die von Gracie gerade erst losgeworden.«
»Nein«, sagte sie, »meine Kopfhaut juckt nur. Ich hab mir seit über einem Jahr nicht mehr die Haare gewaschen.« Als sie wieder ging, blieb sie noch einmal in der Tür stehen. »Ich hab zu unserem Gothic-Gott gebetet, dass er dich wieder gesund macht, Aidy.«
Ich fragte sie, ob ihr Gott von der mitfühlenden Art sei.
»Nicht immer. Wenn ein Goth stirbt, lacht Gott. Aber du bist ein Mensch, Aidy, auf dich passt er auf.«
»Wir müssen über die Jeremy Kyle Show reden«, sagte ich.
»Aber ich muss das für mich klarkriegen, Bruderherz«, gab sie zurück. »Ich hab mich nie zu dieser Familie zugehörig gefühlt.«
»Ich auch nicht«, sagte ich. »Ich hatte immer das Gefühl, dass meine echten Eltern Aristokraten waren.«
»Aber du hast Mums Füße und Georges Nase.«
Wie traurig, dass sie unseren Vater jetzt George nennt.
Dienstag, 23. Oktober
Manchmal vergesse ich mehrere Minuten am Stück, dass ich Prostatakrebs habe. Also eine Art Fortschritt. Es kommt mir vor, als hätte meine Mutter jedes Mal, wenn sie mich ansieht, Tränen in den Augen. Entweder muss sie sich ein dickeres Fell zulegen oder aufhören, Wimperntusche zu tragen. Eins von beidem.
Mittwoch, 24. Oktober
Mr. Carlton-Hayes benutzt neuerdings einen Gehstock. Plötzlich fällt mir auf, dass jeder, mit dem ich in Berührung komme, in irgendeiner Form körperlich oder mental beeinträchtigt ist. Wo sind all die gesunden Leute geblieben? Es ist ein Wunder, dass das Land noch nicht bankrott ist.
Donnerstag, 25. Oktober
Heute fing die Behandlung an. Bevor ich auf die Radiologiestation ging, sagte Dr. Rubik: »Vielleicht sollte ich Sie noch einmal an die möglichen Nebenwirkungen der Bestrahlung erinnern.«
»Nicht nötig«, entgegnete ich. »Ich habe die Broschüre zweimal gründlich gelesen, es gibt nur sehr wenige Nebenwirkungen.«
Dr. Rubik sagte: »Ich bin seit siebzehn Jahren praktizierende Onkologin, ich war für die Behandlung Tausender von Patienten verantwortlich. Ich habe mehr getan, als eine Broschüre zweimal durchzulesen, deshalb gestatten Sie mir viel leicht, Sie über die Nebenwirkungen der von Ihnen gewähl ten Therapie zu informieren. Erstens müssen Sie bei der Körperreinigung sehr vorsichtig sein und dürfen keine Seife oder Duschgel benutzen. Die behandelte Stelle wird überaus empfindlich sein, und Sie dürfen sich keiner starken Sonneneinstrahlung aussetzen.«
Bei diesen Worten stieß ich ein hohles Lachen aus. »Schön wär’s.«
»Zweitens Harninkontinenz. Es könnte passieren, dass Sie während oder nach der Behandlung etwas tropfen. Drittens könnte es zu Durchfall oder Rektalbeschwerden kommen.«
»Das heißt, ich könnte doppelt inkontinent werden?«, fragte ich nach.
»Das wäre möglich. Aber jeder Patient ist natürlich anders, und es gibt unglaubliche Unterschiede in Größe und Lage der Tumoren. Ich hatte schon Patienten, die überhaupt keine Nebenwirkungen gespürt haben, aber ich kannte
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