Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
sei völlig im Recht gewesen. Lucas Stark war ein Teufel. Auf freiem Fuß wäre ihm alles zuzutrauen gewesen.«
Einige Tage später, nachdem die rechtsmedizinische Untersuchung des Leichnams abgeschlossen war, wurde Lucas Stark beerdigt.
»Kaum jemand ist gekommen«, erinnerte sich Carlton Lee. »Meine Eltern wollten nicht zur Kirche gehen, und ich sollte auch nicht mehr hin. Sie meinten, der Satan hätte das Gebäude besudelt. Aber als ich sah, dass dem Leichenwagen nur ein halbes Dutzend Autos folgte, schwang ich mich aufs Rad und fuhr hin.
Es war geplant gewesen, Lucas und Ada Mae Stark nebeneinander in dem Wald zwischen Kirche und Haus beizusetzen«, fuhr er fort. »Aber Carruthers persönlich scheuchte mich nach dem Gottesdienst fort. Ich sah nur noch, wie sie die Särge in den Wald trugen – Bruder Neal, Carruthers und noch ein paar Männer. Als ich wieder in die Stadt fuhr, standen die Leute vor ihren Häusern und schauten zu den Berghängen hinauf. Aus den Baumwipfeln südlich der Kirche stieg schwarzer Rauch auf. Fast eine Stunde lang zog der Qualm zur Felswand, stieg zum Kamm auf und verlor sich oben in der Wildnis.«
»Die Leichen wurden also verbrannt?«
»Als wären sie gottlos«, erwiderte Carlton Lee. »Noch heute glauben die Leute, das alte Haus und die Wälder ringsum seien mit dem Bösen behaftet.«
»Und Carruthers frisst die Sache bis heute in sich hinein.«
»So könnte man sagen«, stimmte Carlton Lee zu.
Ich ließ mir das Ganze ein paar Minuten lang durch den Kopf gehen.
»Ich habe einen Vorschlag«, sagte ich schließlich. »Ich werde auf eine Anzeige verzichten, wenn der Polizeichef mit mir redet. Er soll mir sagen, was Lucas Stark ihm gestanden hat.«
»Versuchen Sie’s«, meinte Carlton Lee, »aber ich wette, Sie kriegen keine Antwort.«
Es war nun fast Abend. Draußen vor dem Fenster sah ich die Berghänge, die sich über der Stadt erhoben und von den Strahlen der untergehenden Sonne in feuriges Licht getaucht wurden. Inzwischen war ich zu der Überzeugung gelangt, dass hinter den Morden in San Diego jemand aus Hattiesburg steckte und dass ihm der qualvolle Tod Ada Mae Starks als Vorbild diente. Aber wer?
Trotz allem, was ich durchgemacht, trotz allem, was ich erfahren hatte, war ich der Lösung des Mordfalls doch nur ein kleines Stückchen näher gekommen. In meinem Magen rumorte der Hunger. Carlton Lee hatte anscheinend meine Gedanken gelesen.
»Sie könnten jetzt wohl etwas Handfesteres vertragen?«, fragte er.
»Ein Milchshake wäre nicht verkehrt.«
»Letties Milchshakes sind nicht zu verachten, und wir haben ein Gästezimmer«, sagte er und steckte seine Unterlagen über Lucas Stark weg. »Lassen Sie sich noch ein paar Schmerzmittel verschreiben, dann holen wir Sie hier raus.«
Noch bevor ich zustimmen konnte, steckte Nebraska, die Schwester, die sich den ganzen Tag um mich gekümmert hatte, den Kopf zur Tür herein.
»Carlton«, sagte sie mit leidvoller Miene. »Ich habe gerade einen Anruf von Neal Elkins droben in der Kirche bekommen. Polizeichef Carruthers ist vor zwanzig Minuten verstorben. Das Gift war stärker als er.«
68
Nelson Carruthers wurde am Montag, dem 1.Mai um zwei Uhr nachmittags beigesetzt. Der Gottesdienst fand am Grab statt, einer Art Gruft, die mit dem Presslufthammer in den weichen Kalkstein draußen vor der Kirche geschlagen worden war, nicht weit von der Stelle entfernt, wo der Polizeichef mich ertappt und wie eine Schlange am Nacken gepackt hatte. Es war ein wolkiger, feuchter, windstiller Tag. Moskitos schwirrten mir um die Ohren. Ich stand ein wenig abseits von der Menge am Parkplatz. Der dröhnende Schmerz in meinem Kiefer war inzwischen abgeflaut und meldete sich nur noch gelegentlich.
Die gesamte Gemeinde war versammelt, aber auch viele Bewohner von Hattiesburg, die dieser Gemeinschaft nicht angehörten. Schwarze und Weiße, Leute aus Scottsboro und anderen Orten, sie alle beobachteten mit trauriger Miene, wie Carruthers’ Leichnam in einem schlichten Kiefernsarg aus der Kirche getragen wurde.
Unter den Sargträgern war auch Carlton Lee, in Uniform. Lettie saß mit ihren drei Kindern hinter Eileen Carruthers und Caleb Stark, die beide schwarz gekleidet und vom Leid gezeichnet waren.
Die Gemeinde sang »Amazing Grace«, die zittrigen Stimmen hallten von den Berghängen wider und tönten durch das Tal. Bruder Neal hielt eine Totenrede voller Leidenschaft, Trauer und Bewunderung.
Er sagte, Nelson Carruthers sei der mutigste Mensch
Weitere Kostenlose Bücher