Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
wir den Tatort verlassen hatten. Die Lokalsender brachten in den Spätnachrichten Aufnahmen des Leichensacks, der aus dem Haus des Sonartechnikers getragen wurde, dann folgte ein Schnitt zu Christina, Rikko und mir, wie wir aus dem Haus in Point Loma treten.
Ich kam erst weit nach Mitternacht zur Nomad’s Chant zurück. Hinter mir lag eine Neunzigstundenwoche, und ich fiel bäuchlings aufs Bett und schlief in den Kleidern ein. Um halb acht weckte mich das Telefon.
»Moynihan.«
»Dad.«
»Jimbo. Hey, was ist los?«
»Wann holst du mich zum Angeln ab?«
Bevor ich wach genug war, um zu antworten, klopfte ein zweiter Anrufer an. Ich bat Jimmy dranzubleiben und holte mir das andere Gespräch her. »Moynihan.«
»Hast du heute Morgen schon die Daily News gesehen?«, brüllte mir Helen Adler ins Ohr.
Das klang so spitz, als würde mir ein Nagel in den Kopf getrieben. »Warum?«
»Hol dir die Zeitung, und zwar plötzlich«, befahl sie. »Ich bleibe solange in der Leitung.«
»Hm … okay.« Ich stand mühsam auf und drückte wieder die Flashtaste. »Jimmy.«
»Wann holst du mich ab?« Ich stolperte die Treppe zum Hauptdeck hinauf. »Ich glaube, wir müssen unseren Ausflug verschieben, Kleiner«, sagte ich. »Gestern Abend wurde wieder ein Toter gefunden, und meine Chefin ist auf dem Kriegspfad.«
Nach langem Schweigen meinte Jimmy: »Du bist genau wie Mom. Euch ist einfach alles egal.«
»Jimbo«, sagte ich, trat ins gleißende Sonnenlicht hinaus und sah mich blinzelnd nach der Zeitung um. »Ich stecke in der Klemme, und du hilfst mir nicht gerade –«
»Nein!«, schrie er. » Du hilfst mir nicht. Und sonst auch niemand! Ihr beide nicht.«
Er hatte aufgelegt.
»Scheiße, Jimbo, verdammt nochmal.« Ich war sauer, todmüde und schuldbewusst, doch dann kam auch schon der nächste Schlag. Die Sunday Daily News lag neben der Gangway. Und über Brett Tarentinos Kolumne die Schlagzeile:
SCHLANGENBESCHWÖRER SCHLÄGT WIEDER ZU
Täter hinterlässt Bibelzitat
Polizei verdächtigt Homosexuellenzirkel
»Was zum Teufel ist das!«, rief ich und griff mir die Zeitung.
In dem Artikel hieß es, Haines, Zivilangestellter der Navy, sei das zweite Opfer des so genannten »Schlangenbeschwörers«, anschließend wurde ein »ungenannter Informant aus dem Umkreis der Ermittlungen« zitiert, der berichtete, der Täter habe »auf einem Spiegel am Tatort ein Bibelzitat aus dem Neuen Testament« hinterlassen.
Dann wurde Lieutenant Donald Aiken als Mieter von Haines vorgestellt. Aiken hatte Tarentino verraten, dass wir verschiedene Fragen zum Sexualleben des Opfers gestellt hatten, unter anderem, ob Haines möglicherweise schwul gewesen sei.
Aus dieser einzigen harmlosen Frage wurden Parallelen zwischen diesen beiden Mordfällen und den Taten Andrew Cunanans abgeleitet, einem Gigolo aus San Diego, der drei Männer auf dem Gewissen hatte, unter anderem den Modedesigner Versace. Tarentino hob hervor, beide Opfer des Schlangenbeschwörers seien Männer, dann wiederholte er, wir hätten Aiken nach der sexuellen Orientierung von Haines befragt, und behauptete dann kühn, Cooks Interesse an Gruppensex, insbesondere als Dreierkonstellation mit zwei Männern, könne als »wenigstens bisexuell, wenn nicht als rundweg homosexuelles Verlangen« gedeutet werden.
Der Artikel schloss mit der Warnung an die Schwulen der Stadt, ein bibelfester Serienmörder könnte ihnen nach dem Leben trachten.
Ich drückte erneut die Flashtaste. »Chief?«
»Ich bin dran«, zischte sie. »Hast du den Mist gelesen?«
»Gossenjournalismus, damit hab ich nichts zu tun«, begann ich. »Tarentino hat mich gestern Abend ständig angefunkt, aber ich habe nicht zurückgerufen – ich hab kein Wort mit ihm gesprochen. Aiken habe ich tatsächlich gefragt, ob Haines schwul war, aber das schien nur logisch, da er mit seinen sechsunddreißig Jahren noch nie mit einer Frau geschlafen hatte. Den Rest hat sich Tarentino aus den Fingern gesaugt.«
»Lass dir eins gesagt sein, Shay: Der Bürgermeister wird seit anderthalb Stunden von den Wortführern der homosexuellen Mitbürger mit Anrufen bombardiert. Und das heißt, dass er sich seinerseits an mich wendet.«
»Ich verstehe, was du sagen willst, Helen. Aber ich hab nichts damit zu tun.«
»Handelt es sich um einen schwulen Serienmörder?«, wollte sie wissen.
»Nein«, wiederholte ich. »Dafür gibt es keinerlei Hinweise. Das ist kompletter Quatsch. Ich werde mir Tarentino vorknöpfen, und zwar jetzt. Er wird eine
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