Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
Kopf. »Das erste: ›Welch unsagbare Freude, den Tod in Händen zu halten‹ stammt nicht aus der Bibel«, sagte sie. »Oder wenigstens erinnere ich mich nicht daran. Ich kann es später anhand der Computer-Konkordanzen prüfen, wenn Sie möchten.«
»Konkordanzen?«, fragte Rikko. »Was ist das?«
»Datenbanken, in denen ich Worte in umfangreichen theologischen Schriften wie der Bibel, dem Talmud und dem Koran suchen kann. Ich habe sie bei der Arbeit an meinem Buch ständig benutzt.«
»Das wäre hilfreich«, sagte ich. »Und was ist mit der zweiten Botschaft?«
»Apostelgeschichte, Kapitel 28, Vers 5–7«, murmelte Dahoney und griff nach einer ledergebundenen Bibel auf ihrem Schreibtisch.
Schon hatte sie das Zitat gefunden und las die Stelle laut vor: »Er aber schlenkerte das Tier ins Feuer, und ihm widerfuhr nichts Übles. Sie aber warteten, wann er anschwellen oder tot niederfallen würde. Da sie aber lange warteten und sahen, dass ihm nichts Schlimmes widerfuhr, änderten sie ihre Meinung und sprachen, er wäre ein Gott.«
Sie tippte mit dem Finger auf die aufgeschlagene Seite. »Die Apostelgeschichte ist im Wesentlichen eine Geschichte der frühchristlichen Kirche«, erklärte sie. »Sie hält fest, was die Jünger Jesu in den Jahren unmittelbar nach der Kreuzigung taten. Lukas, der Kapitel 28 der Apostelgeschichte schrieb, ist mit Paulus, dem ersten echten Missionar, weit gereist. Vor Paulus fand der christliche Glaube nur aufs Geratewohl, man könnte fast sagen zufällig, Verbreitung, bald stieß der eine, bald der andere auf die Geschichte Jesu. Dann beschloss der Apostel Petrus, der damals in Antiochia lebte, die gezielte Propagierung und Verbreitung der Frohen Botschaft. Er fand, das sei der richtige Schritt für die junge Kirche. Deshalb schickte Petrus Paulus auf mehrere Missionsreisen in den Nahen Osten, nach Asien und Osteuropa.«
Dahoney begann auf und ab zu gehen. »Paulus hatte den Auftrag, Nichtjuden und Juden zu dem Glauben zu bekehren, dass Jesus der im Alten Testament prophezeite Messias sei. Für seine Predigten wurde er gesteinigt, geschlagen und ins Gefängnis geworfen. Die ersten drei Missionsreisen unternahm er freiwillig. Paulus’ vierte Reise, die in Kapitel 28 der Apostelgeschichte geschildert wird, erfolgte gegen seinen Willen. Er wurde wegen Aufwiegelung verhaftet und auf ein Schiff gesetzt, das ihn zu seinem Prozess vor den römischen Kaiser nach Rom bringen sollte. Auf der Reise, im Jahr 59, wenn ich mich recht entsinne, erlitten Paulus, Lukas und die römischen Wachleute Schiffbruch und landeten auf dem heutigen Malta. Wie das Zitat andeutet, wurde Paulus von einer Natter gebissen, aber es zeigten sich keine Folgen. Aufgrund dieses Wunders bekehrten sich sämtliche Malteser zum Christentum.«
Ich nickte. »Und was sagt uns das über den Mörder?«
Dahoney dachte kurz nach. »Natürlich betrachte ich das Ganze aus einer historischen und textbezogenen Perspektive.«
»Im Augenblick ist uns jede Perspektive recht«, meinte Rikko.
Sie nickte. »Man könnte darüber spekulieren, ob sich Ihr Killer als Missionar sieht, der seine eigene verschrobene Version vom Wort Gottes verbreiten will. Oder als Verbannter, der unter Barbaren Schiffbruch erleidet. Oder auch als Gefangener.«
»Oder er übernimmt alle drei Rollen«, warf ich ein.
»Ja, auch das könnte man vermuten«, erwiderte sie.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Cook Gruppensex praktizierte, wobei wir nicht ausschließen können, dass er ein verkappter Bisexueller oder Schwuler war«, sagte ich. »Hat das Folgen für Ihre Interpretation?«
Die Dozentin dachte nach. »Ich nehme an, wenn sich Ihr Mörder mit Paulus identifiziert, was er anscheinend tut, dann sieht er sich als einen von Gott Berufenen, der seinen Willen erfüllen soll und damit frei von den Schwächen der gewöhnlichen Sterblichen ist. Homosexualität? Vielleicht. Das Gift einer Schlange? Auf jeden Fall. Vielleicht will er auch sagen, dass seine Opfer – hätten sie sich nur nicht dem Gruppensex oder der Homosexualität ergeben – die Gnade Gottes erfahren könnten und wie der Heilige Paulus gegen Schlangengift immun wären.«
Rikko nickte. »Das könnte ich nachvollziehen.«
»Wir haben an beiden Tatorten einen Apfel gefunden«, sagte ich. »Dazu fällt mir die Schlange und die verbotene Frucht ein. Adam und Eva.«
»Sicherlich«, meinte sie. »In der Bibel tritt die Schlange stets als Symbol des Bösen in Form der Versuchung auf. In meinem
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