Toxin
Fall.«
»Das ist doch genau der Punkt«, ereiferte sich Kim. »Bis jetzt gibt es nur einen Fall. Ich bin mir absolut sicher, daß Becky sich in dem Onion Ring auf dem Prairie Highway infiziert hatte. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß sie das erste Opfer war und uns eine Epidemie bevorsteht.«
»Aber es ist keine Epidemie ausgebrochen«, widersprach Kelly. »Sie haben doch selbst gesagt, daß Ihre Tochter sich vor gut einer Woche infiziert hat. Wenn Sie mit Ihrer Vermutung richtig lägen, müßten inzwischen weitere Menschen erkrankt sein. Aber es ist nichts passiert.«
»Es wird mit Sicherheit weitere Opfer geben«, prophezeite Kim. »Davon bin ich hundertprozentig überzeugt.«
»Gut«, entgegnete Kelly. »Sobald es weitere Fälle gibt, berichte ich darüber. Ein einzelner Fall gibt für einen Bericht einfach nicht genug her. Deutlicher kann ich es nicht sagen.«
»Aber es sterben jedes Jahr Hunderte von Kindern an diesem Erreger. Und die Öffentlichkeit weiß nichts darüber.«
»Da mögen Sie durchaus recht haben«, gestand Kelly. »Das Problem ist nur, daß zwischen diesen Hunderten von Fällen kein Zusammenhang zu erkennen ist.«
»Aber der Zusammenhang liegt doch auf der Hand.« Kim ließ nicht locker. »Fast alle Opfer haben sich durch den Verzehr von Hackfleisch infiziert. Jeder, der das von der fleischverarbeitenden Industrie produzierte Hackfleisch ißt, geht ein Risiko ein. Diese skandalösen Zustände müssen doch an die Öffentlichkeit gebracht werden!«
»Sind sie doch längst«, widersprach Kelly ebenso energisch. »Wo leben Sie denn? Denken Sie mal an den Jack-in-the-Box-Skandal oder an den Fleischrückruf von Hudson Meat! Fast jeden Monat wird in den Nachrichten über Verseuchungen mit Kolibakterien berichtet.«
»Man hört gelegentlich in den Nachrichten darüber, aber die Medien haben das Problem immer falsch dargestellt«, ereiferte sich Kim.
»Ach, tatsächlich?« fragte Kelly sarkastisch. »Sie sind also nicht nur Herzchirurg, sondern auch Medienexperte?«
»Ich habe nicht behauptet, ein Medienexperte zu sein. Aber eins läßt sich ohne jeden Zweifel feststellen. Die Medien haben durch ihre Berichterstattung einen falschen Eindruck erweckt: Zum einen, daß der Erreger E. coli O157:H7 nur selten in Hackfleisch zu finden ist; und zum anderen, daß das Landwirtschaftsministerium durch seine Kontrollen für die Sauberkeit des Fleisches garantiert. Beides ist falsch - was der Tod von bis zu fünfhundert Kindern pro Jahr wohl hinreichend beweist.«
»Jetzt begeben Sie sich aber auf sehr dünnes Eis«, stellte Kelly fest. »Sie erheben massive Vorwürfe. Aber wie wollen Sie die untermauern? Was für Beweise haben Sie?«
»Meine Tochter ist an dem Erreger gestorben«, erwiderte Kim wütend. »Und alle anderen Todesfälle sind durch die Berichte des Bundesgesundheitsamtes belegt.«
»Ich rede von Ihren Vorwürfen, daß dieser Erreger nicht selten, sondern häufig in Fleisch zu finden ist und daß das Landwirtschaftsministerium nicht ordentlich kontrolliert.«
»Dazu kann ich Ihnen im Augenblick noch keine gesicherten Beweise liefern«, gestand Kim. »Ich hatte gehofft, daß Sie sich bei Ihren Recherchen darum kümmern würden. Aber wenn meine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprächen, würden wohl kaum so viele Kinder an dem Erreger sterben. Außerdem hat Marsha Baldwin all das bestätigt, was ich gerade gesagt habe.«
»Ach ja, wie konnte ich das vergessen?« entgegnete Kelly. »Die mysteriöse Kontrolleurin aus dem Ministerium, die, wie Sie behaupten, seit knapp vierundzwanzig Stunden verschwunden ist. Und die angeblich Opfer einer Verschwörung geworden ist.«
»Ganz genau«, bestätigte Kim. »Irgendjemand mußte sie zum Schweigen bringen.«
Kelly legte den Kopf auf die Seite und dachte nach. Sie war sich mit einem Mal gar nicht mehr so sicher, ob sie sich nicht lieber vor Kim in acht nehmen sollte; immerhin war er zweimal im Gefängnis gelandet. Sie hatte das Gefühl, daß der Tod seiner Tochter ihn aus der Bahn geworfen hatte. Er schien regelrecht paranoid: sie wollte ihn so schnell wie möglich aus dem Haus haben.
»Wie war das noch?« fragte Kelly. »Sie fürchten, daß Miss Baldwin verschwunden ist, weil ein Anruf unterbrochen wurde und weil Sie im Schlachthaus Blut entdeckt haben?«
»Genau«, bestätigte Kim.
»Und das alles haben Sie auch den Polizisten erzählt, die Sie verhaftet haben?« fragte Kelly.
»Natürlich«, erwiderte Kim. »Aber sie haben mir nicht
Weitere Kostenlose Bücher