Toxin
geglaubt.«
»Ich verstehe auch, warum«, sagte Kelly leise zu sich selbst und erhob sich aus ihrem Sessel. »Entschuldigen Sie, Dr. Reggis«, sagte sie laut und bestimmt. »Ich fürchte, wir drehen uns im Kreis. Was Sie mir erzählen, wissen Sie alles nur vom Hörensagen, und solche Geschichten sind für mich tabu. Ich würde Ihnen gerne helfen, aber im Augenblick geht das nicht - zumindest nicht, bis Sie mir ein paar handfeste Beweise liefern können, auf die man eine Geschichte bauen kann.« Kim erhob sich von der niedrigen Couch. Er spürte, wie die Wut wieder in ihm hochkam, aber er bekämpfte sie. Obwohl er Kellys Einstellung nicht in Ordnung fand, konnte er sie verstehen, und diese Erkenntnis bestärkte ihn erst recht. »Ich komme wieder. Und zwar mit etwas Unwiderlegbarem.«
»Tun Sie das«, entgegnete Kelly. »Bringen Sie mir Beweise, dann bringe ich Ihre Geschichte.«
»Darauf werde ich Sie festnageln.«
»Ich halte grundsätzlich mein Wort. Aber es versteht sich ja wohl von selbst, daß ich diejenige bin, die entscheidet, ob die Beweise ausreichen.«
»Ich bringe Ihnen Beweise, die jeden Zweifel ausschließen«, versicherte Kim.
Er verließ das Haus und rannte den Weg hinunter zu seinem Auto. Er beeilte sich nicht wegen des Regens, der während seines Besuchs bei Kelly Anderson heftiger geworden war. Er hatte es eilig, weil er bereits wußte, wie er Kellys Forderung nach Beweisen nachkommen würde. Es war zwar nicht einfach, aber das war ihm egal. Er hatte eine Mission zu erfüllen. Er wendete und drückte das Gaspedal durch. Daß Kelly noch in der Haustür stand und ein letztes Mal den Kopf schüttelte, als er davonbrauste, sah er nicht. Er nahm sein Handy und rief Tracy an.
»Trace«, begann er sofort, als sie sich meldete. »Kannst du dich mit mir im Einkaufszentrum treffen?«
Es kam keine Antwort. Zuerst glaubte er, die Verbindung sei unterbrochen. Als er gerade noch einmal neu wählen wollte, hörte er Tracys Stimme: »Ich habe dich beim Wort genommen und die Beerdigungsformalitäten ohne dich geregelt.« Kim seufzte. Hin und wieder gelang es ihm, Beckys Tod vollkommen zu verdrängen. Gott sei Dank hatte er Tracy. Sie war so stark. Wie hätte er die schreckliche Tragödie ohne sie überstehen sollen?
»Danke«, brachte er schließlich hervor. Er wußte nicht, was er sagen sollte. »Ich weiß es sehr zu schätzen, daß du das allein gemacht hast.«
»Die Trauerfeier findet am Dienstag im Bestattungsinstitut Sullivan auf der River Street statt«, erklärte Tracy.
»Gut«, entgegnete Kim. Er brachte es nicht fertig, länger darüber nachzudenken. »Kannst du dich gleich mit mir im Einkaufszentrum treffen?«
»Willst du denn gar nicht wissen, was ich sonst noch arrangiert habe?« fragte Tracy.
»Im Augenblick ist es wichtiger, daß du dich gleich mit mir im Einkaufszentrum triffst«, sagte Kim und hoffte, daß er nicht zu hartherzig klang. »Außerdem wollte ich dich bitten, danach mit mir nach Hause zu fahren.«
»Wie kann eine Verabredung mit mir im Einkaufszentrum wichtiger sein als die Beerdigung unserer Tochter?« fragte Tracy verzweifelt.
»Glaub mir, es ist so«, erwiderte Kim. »Die Einzelheiten erzähle ich dir dort.«
»Kim, was ist los?« fragte Tracy. Sie spürte, wie aufgeregt er war.
»Das erkläre ich dir später«, versprach er. »Wo im Einkaufszentrum wollen wir uns denn treffen?« willigte sie schließlich ein. »Es ist riesig.«
»Bei Connolly Drugs«, erwiderte Kim. »In der Drogerieabteilung.«
»Um wieviel Uhr?«
»Ich bin schon auf dem Weg«, erwiderte Kim. »Komm, so schnell du kannst.«
»Ich brauche mindestens eine halbe Stunde. Du weißt hoffentlich, daß die Geschäfte um sechs Uhr schließen?«
»Ja«, erwiderte Kim. »Wir haben genug Zeit.« Tracy legte auf. Sie fragte sich, ob sie Kim durch ihre Einwilligung, die Beerdigungsangelegenheiten allein zu regeln, womöglich mehr schadete als half. Aber im Augenblick hatte sie keine Zeit, darüber nachzudenken.
Wenn sie an Kim dachte, kamen trotz der Scheidung Mutterinstinkte in ihr hoch. Sie fragte sich, wann er wohl zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Vorsichtshalber packte sie ein bißchen was ein.
Da es Sonntag nachmittag war, noch dazu kalt und verregnet, waren kaum Autos unterwegs. Sie erreichte das Einkaufszentrum in Rekordzeit. Sogar der Parkplatz war relativ leer. Nur ein paar Schritte vom Haupteingang entfernt hatte sie bisher noch nie einen Parkplatz gefunden.
Im Einkaufszentrum selbst war
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