Toxin
»Ziemlich cool, nicht wahr? In der Gebrauchsanweisung steht, daß sie mindestens drei bis vier Tage hält, wenn ich nicht dusche.«
»Wo ist das Mikrophon?« fragte Tracy.
»Unter meinem Kragen«, erwiderte Kim. Er hob die Kante leicht an. Ein winziges Mikrophon war mit einer Sicherheitsnadel an der Unterseite des Hemdkragens befestigt. »Schade, daß es mit den Videoaufnahmen nicht klappt«, sagte Tracy.
»Das ist noch gar nicht raus«, rief Kim ihr ins Gedächtnis. »Lee hat versprochen, daß er sich etwas überlegen will, und wenn er das sagt, fällt ihm in neun von zehn Fällen auch etwas ein. Es dauert eben nur ein paar Tage.«
»Laß uns das Audiosystem noch einmal testen!« schlug Tracy vor. »Ich möchte mich vergewissern, daß es auch wirklich genauso funktioniert wie gestern abend in Lees Garage.«
»Gute Idee«, entgegnete Kim. »Wie wär’s, wenn du kurz in dein Auto springst und bis zur Ecke fährst? Das müßte von der Entfernung in etwa stimmen. Dann bist du etwa zweihundert Meter vom Haus entfernt.«
»Und wo gehst du hin?« fragte Tracy.
»Ich laufe durch alle Zimmer und gehe auch mal in den Keller.«
Tracy nickte und ging hinunter zur Garderobe. Während sie sich ihren Mantel anzog, rief sie die Treppe hinauf: »Vergiß nicht, dir auch den Kopfhörer ins Ohr zu stöpseln.«
»Ist schon drin«, rief Kim zurück.
Tracy trat hinaus in die kalte Morgenluft. Über Nacht war Wind aufgekommen und hatte die Sturmwolken nach Osten geblasen. Der Himmel war jetzt blaßblau. Sie stieg ins Auto, ließ den Motor an und fuhr bis zur Ecke. Am Straßenrand hielt sie an und stellte den Motor ab. Sie öffnete das Fenster an der Fahrerseite und stellte eine provisorische Antenne auf das Autodach. Dann setzte sie sich einen Stereo-Kopfhörer auf, der an ein altes zweispuliges Tonbandgerät angeschlossen war. Das Tonbandgerät war mit einem Verstärker verbunden, der an einen Transformator auf einer freistehenden Autobatterie angeschlossen war.
Als sie den Verstärker einschaltete, leuchtete auf der Anzeigefläche des Geräts ein rotes Licht auf. Sie hörte im Kopfhörer ein kurzes Rauschen, das aber sofort verschwand. Auf dem Verstärker lag ein Mikrophon. Sie nahm es in die Hand. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß sie von keinem ihrer Nachbarn beobachtet wurde, sprach sie in das Mikrophon.
»Kim, kannst du mich hören?« fragte sie. Seine Antwort kam so laut, daß sie zusammenzuckte. »Ich verstehe dich so gut, als würdest du direkt neben mir stehen.« Tracy drehte die Lautstärke herunter und drückte auf die Aufnahmetaste des Tonbandgeräts.
»Wie ist die Lautstärke bei dir?« fragte sie. »Mir ist eben fast das Trommelfell geplatzt.«
»Gut«, erwiderte Kim. »Wo bist du jetzt?« wollte Tracy wissen. »Ich bin im hintersten Bereich des Kellers«, erwiderte er. »Wenn es hier funktioniert, muß es eigentlich überall funktionieren.«
»Ich höre dich total klar.«
»Okay, dann komm zurück«, forderte er sie auf. »Wir ziehen die Sache jetzt durch.«
»Roger«, entgegnete Tracy. Sie hatte zwar keine Ahnung, was dieser Ausdruck bedeutete, aber sie hatte ihn schon etliche Male in Filmen und Fernsehshows gehört. Sie nahm den Kopfhörer ab, stoppte das Band und spulte zurück. Dann hörte sie sich die Aufnahme an. Zufrieden stellte sie fest, daß sowohl ihre eigene als auch Kims Stimme absolut klar zu hören war.
Kim hatte bereits alle Sachen, die sie mitnehmen wollten, neben die Tür gestellt. Sie gingen davon aus, daß Kim den Job bekommen und sofort anfangen würde, und hatten deshalb Lunch-Pakete und Thermoskannen mit heißen Getränken vorbereitet. Außerdem hatten sie für Tracy eine Decke und Pullover bereitgelegt. Kim war sicher, daß es kalt werden würde, wenn sie den ganzen Tag im Auto saß. Sie verstauten die Sachen auf der Rückbank. Kim nahm ebenfalls hinten Platz, da auf dem Beifahrersitz das Tonbandgerät und das übrige Equipment deponiert waren. Tracy setzte sich hinters Steuer und wollte gerade den Motor anlassen, als ihr noch etwas einfiel. »Wo ist deine Pistole?« fragte sie. »Oben im Gästezimmer«, erwiderte Kim. »Ich glaube, du solltest sie besser mitnehmen.«
»Nein«, widersprach Kim. »Ich will keine Waffe dabeihaben, wenn ich im Schlachthaus arbeite.«
»Aber warum denn nicht?« fragte Tracy.
»Stell dir vor, dieser Typ mit dem Messer taucht noch einmal auf!« Kim dachte kurz nach. Einige Gründe sprachen dagegen, die Pistole mitzunehmen. Zum einen hatte er
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