Toxin
kurzfristig helfen konntest«, sagte Tom. »Das mache ich doch gern«, entgegnete Kim und meinte es ehrlich.
Die beiden Männer gingen den Flur entlang in Richtung Aufenthaltsraum.
»Du wirkst so deprimiert«, stellte Tom fest. »Was ist los? Hat dich gerade dein Buchhalter angerufen und dir deine Einnahmen unter Berücksichtigung der neuen Medicare-Erstattungssätze durchgegeben?«
Kim lachte nicht. Er reagierte überhaupt nicht. »Ist alles okay mit dir?« fragte Tom, der sich nun wirklich Sorgen machte.
»Ich denke schon«, erwiderte Kim völlig emotionslos. »Ich habe nur jede Menge Ärger am Hals.« Dann erzählte er Tom, was er am Abend zuvor in der Notaufnahme erlebt hatte. »O mein Gott!« staunte Tom, als Kim fertig war. »Was für ein Horror! Aber mach dir bloß keine Vorwürfe, weil du diesem Bradford einen Haken verpaßt hast. Ich hatte auch schon mal einen kleinen Zusammenstoß mit ihm. Diese dämlichen Verwaltungsheinis! Wie ich gestern abend in einer Zeitschrift gelesen habe, gibt es in den Vereinigten Staaten derzeit pro eineinhalb Ärzte und Schwestern einen Verwaltungsangestellten. Kannst du dir das vorstellen?«
»Nur zu gut«, erwiderte Kim. »Sie kosten ein Heidengeld und sind der Hauptgrund für unser schier unbezahlbares Gesundheitssystem.«
»Genau das stand auch in dem Artikel«, sagte Tom. »Ich kann jedenfalls gut nachvollziehen, warum dir die Hand ausgerutscht ist. An deiner Stelle wäre ich auch auf hundertachtzig gewesen. Drei Stunden! Da hätte ich ihm auch einen Haken verpaßt!«
»Danke«, entgegnete Kim. »Ein bißchen seelischen Beistand kann ich gut gebrauchen. Aber das Schlimmste an der Sache ist, daß ich nach der ganzen Warterei und nach all dem Ärger nicht einmal mit dem Arzt sprechen durfte, der Becky untersucht hat.«
»Wie geht es ihr denn heute?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Kim. »Als ich aufgestanden bin, war es noch zu früh zum Anrufen, und Tracy hat sich auch nicht bei mir gemeldet. Aber es wird ihr schon wieder bessergehen. Schließlich waren ihre Blutwerte gut, und Fieber hatte sie auch nicht.«
»Dr. Reggis!« rief eine Stimme.
Kim drehte sich um und sah, daß Deborah Silverman, die Oberschwester im OP-Bereich, ihn zu sich heranwinkte. »Als Sie im OP waren, hat Dr. Biddle angerufen«, sagte Deborah. »Er läßt Ihnen ausrichten, Sie möchten sich umgehend in seinem Büro einfinden.«
Kim nahm den Notizzettel. Die Nachricht war mit etlichen Ausrufezeichen versehen. Offenbar ging es um etwas Ernstes. »Oje«, bemerkte Tom, der Kim über die Schulter sah. »Klingt ganz so, als wollte der Chef dir auch noch Ärger machen.« Die beiden trennten sich vor der Tür zum Aufenthaltsraum. Kim ging in den Umkleideraum. Obwohl Forrester Biddle ihn offenbar dringend zu sprechen wünschte, ließ er sich Zeit. Es war unschwer zu erraten, warum sein Chef ihn zu sich bestellt hatte. Das Problem war nur, daß Kim selber nicht so genau wußte, wie er derart die Beherrschung hatte verlieren können. Er duschte und ließ die Ereignisse des vergangenen Abends noch einmal Revue passieren. Dabei fiel ihm jedoch auch keine bessere Erklärung für sein Verhalten ein, als daß er ziemlich unter Streß gestanden hatte. Nachdem er sich frische OP-Kleidung angezogen hatte, rief er bei Ginger in der Praxis an, um mit ihr seinen Nachmittags-Terminplan zu besprechen. Erst danach machte er sich auf den Weg zum Chefbüro im Verwaltungstrakt.
Dr. Forrester Biddle war der Inbegriff eines konservativen Neuengländers. Er war hager wie ein puritanischer Priester, was seine strenge, gebieterische Art noch unterstrich. Das einzig Positive an ihm war, daß er ein hervorragender Chirurg war.
»Kommen Sie rein, und schließen Sie die Tür!« forderte er Kim auf, als dieser das enge, mit Fachzeitschriften vollgestopfte Büro betrat. »Setzen Sie sich!«
Kim nahm Platz. Dr. Biddle ließ ihn eine Weile warten und erledigte zunächst seine angefangene Schreibarbeit. Kim ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Er selber hatte zu seiner Chefzeit im Samaritan Hospital ein weitaus luxuriöseres Büro gehabt.
Nachdem er seine Unterschrift mit einem schwungvollen Schnörkel versehen hatte, legte Dr. Biddle seinen Füller zur Seite. »Ich komme gleich zur Sache«, sagte er und setzte eine noch strengere Miene auf als sonst. »Mit Ihrem Benehmen gestern abend in der Notaufnahme haben Sie unsere Abteilung und die gesamte Ärzteschaft blamiert.«
»Meine Tochter hatte Schmerzen«, entgegnete
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