Toxische Typen
die Gemüter hochkochen und zerstört.
Aber da stellt sich eine wichtige Frage: Wer gibt all dem Gerede überhaupt Leben und Autorität oder Macht?
Gerüchte bleiben lebendig, weil die Leute ihnen Glauben schenken. Jedes Gerücht hat seinen Markt: Manche klatschen beispielsweise gern über Berufliches, ob es nun ums Gehalt geht, die Arbeitszeiten oder die angemessene Kleidung; das sind diejenigen, die haargenau wissen, wie oft Sie von Ihrem Platz aufgestanden sind und wie lange Sie Pause gemacht haben. Ein Gerücht ist eine Information, die ungeprüft weiterverbreitet wird, also eine inoffizielle Darstellung der Ereignisse. Und wer etwas einfach so nachplappert, der ist kein kommunikativer Mensch, sondern ein Komplize des Gerüchts, ein Klatschmaul.
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»Ein Gerücht ist wie eine Wespe; wenn man sie nicht mit einem Schlag erledigen kann, sollte man keinen Streit mit ihr suchen.«
George Bernard Shaw
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Ein Klatschmaul, ich? Ja, Sie haben richtig gehört. Es gilt nämlich für beide Seiten, für den, der ein Gerücht »feilbietet«, wie für den »Kunden«. Klatsch fängt mit einer Stimme an, zu der er sich dann so gut wie nie zurückverfolgen lässt. Aber das ist nicht das Entscheidende, denn Gerüchte sind immer eine Gruppenkreation, die spontan und ungeplant die Runde macht. Jeder, der sich daran beteiligt, sei es auch nur durchs Mitreden, wirkt an diesem Konstrukt mit, jeder leistet seinen Beitrag, wie bei der »Stillen Post«.
»Die Worte des Verleumders sind wie Leckerbissen; man verschlingt sie mit großem Appetit«, schreibt Salomo im Buch der Sprüche.
Gerüchte, Klatsch und Tratsch
Wir nehmen das, was in der Welt passiert, durch unsere Sinnesorgane auf. Tatsächlich ist es unmöglich, etwas, das wir gesehen oder gehört haben, auf absolut objektive Weise zu entschlüsseln. Unsere Wahrnehmung wählt bestimmte Elemente aus und interpretiert sie. Aber unsere Wahrnehmung ist natürlich nicht unfehlbar. Das führt dazu, dass wir häufig falsche, verzerrte Informationen aufnehmen, die wir freilich für wahr halten. In diesem Sinn können Gerüchte auf der misslungenen Deutung einer Botschaft beruhen.
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»Nicht jeder wiederholt, was ihm an Klatsch zu Ohren kommt. Manche Leute machen auch etwas noch Besseres daraus.«
Anonym
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Danach zu suchen, wer sie ausgelöst hat, ergibt keinen Sinn; entscheidend ist, dass man sich eingesteht, selbst daran geglaubt und den Fehler begangen zu haben, darauf einzugehen. Sooft wir uns vornehmen, »das Schwein zu finden, das diese Geschichte in die Welt gesetzt hat«, verlieren wir unsere Mitverantwortung aus dem Blick (auch wenn wir unseren Anteil daran nur ungern zugeben). Wer sich zu einem Gerücht äußert, nachdem er es gehört hat, ist dafür ebenso verantwortlich wie sein Urheber. Man selbst verbreitet es weiter, indem man ihm Glauben schenkt oder es kommentiert.
Bei Gerüchten sind immer drei Gesetzmäßigkeiten im Spiel:
Das Gesetz der Vereinfachung : Gerüchte neigen dazu, immer kürzer und prägnanter zu werden. Während sie sich ausbreiten, werden die Einzelheiten weniger oder verschwinden.
Das Gesetz der Zuspitzung : Manches wird herausgehoben, anderes ausgelassen. Innerhalb des jeweiligen Kontexts erfolgt die selektive Wahrnehmung, Aufnahme und Erzählung bestimmter Details. Darüber hinaus haben Gerüchte eine Grundtendenz zur Übertreibung.
Das Gesetz der Glättung : Menschen »ordnen« ein Gerücht, indem sie ihm »Form verleihen«. Das heißt, sie fügen kleine Pinselstriche hinzu, die die Geschichte konsistenter und glaubwürdiger machen.
Ein Gerücht beginnt damit, dass jemand eine Information glaubt und für ausreichend wichtig hält, um sie anderen mitzuteilen. Ein Gerücht liegt vor, wenn Informationen die Runde machen, die nicht aus offiziellen Quellen stammen. Deshalb heißt es ja so oft: »Ich habe das aus sicherer Quelle«, um zu bekräftigen, dass alles, was gesagt wird, auch wirklich zutrifft. Häufig heißt es auch: »Weißt du was? Ich habe gehört …« Wenn Sie den Eindruck haben, einem Gerücht zu lauschen, denken Sie daran, wie diese üblicherweise ihren Ausgang nehmen.
Wer Klatsch weiterträgt, verhält sich dabei nie neutral, er versucht stets zu überzeugen, denn sonst würde er sich ja nicht an unpassender Stelle äußern. Manchmal beginnt er auch mit Sätzen wie: »Angeblich soll X« oder: »Ich glaube das zwar nicht, du weißt ja, wie die Gerüchteküche brodelt, aber anscheinend hat diese Neue, die Junge, die gerade
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