Tränen aus Gold
mir ebenfalls genügen.«
Nikolaus schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund. Meine Mutter wäre zutiefst beleidigt, wenn ich einen Gast in dieser Kammer einquartiere. Für Justin aber ist es nicht ungewohnt, daß er hin und wieder dort untergebracht wird.«
Maxim mußte sich damit abfinden. Er trat ans Fenster, zog die Gardine beiseite und spähte hinaus in die immer undurchdringlicher werdende Dunkelheit. »Nikolaus, ich muß meinen Aufenthalt in Lübeck nutzen, um etwas zu erledigen«, sagte er über die Schulter hinweg. »Würde es deine Familie stören, wenn ich nach Belieben komme und gehe?«
Nikolaus runzelte die Stirn, etwas verwundert, was ein Fremder in Lübeck wohl zu erledigen habe. »Maxim, du kannst dich hier frei bewegen, aber sei auf der Hut. In Lübeck verirrt man sich leicht. Am besten, du nimmst dir einen Führer.«
Maxim nahm den Rat lachend an. »Ich werde auf der Hut sein.«
»Falls ich dich irgendwohin begleiten kann…« Der Kapitän ließ den Satz unvollendet.
»Sicher hast du dringend eigene Sachen zu erledigen. Meine dagegen sind nicht so wichtig. Eigentlich möchte ich nur die Stadt etwas besser kennenlernen.«
Diese Antwort befriedigte Nikolaus zwar nicht ganz, doch sah er eine willkommene Gelegenheit, Maxims Abwesenheit bei Elise zum eigenen Vorteil zu nützen. »Mach dich zum Essen fertig«, drängte er. »Ich bin schon halb verhungert.«
»Ich will mich nur waschen und komme gleich hinunter.«
Nikolaus ging zur Tür, wo er stehen blieb und einen Blick zurückwarf. »Du wirst doch nicht so dumm sein und Karl Hillert aufsuchen?« platzte er heraus.
»Nun, ganz ausgeschlossen ist es nicht. Der Mann reizt meine Neugierde«, entgegnete Maxim nachdenklich.
Nikolaus erschrak sichtlich. Er hatte sich ganz umgedreht und sah seinen Freund an. »Maxim, Hillert ist sehr gefährlich. Weitaus wohlhabendere und einflussreichere Männer als ich fürchten ihn. Bitte, lass dich nicht mit ihm ein. Nur wenn man ihm aus dem Weg geht, ist man seines Lebens sicher.«
»Ich habe nicht die Absicht, getötet zu werden«, tat Maxim die Besorgnis des Freundes mit einem beiläufigen Lachen ab. »Glaube mir, es gibt zu viele wunderbare Dinge, für die ich leben muß.«
»Du lebst zu gefährlich«, murmelte Nikolaus. »Man kann Arabella nicht verdenken, daß sie sich vor der Hochzeit mit einem anderen deines Todes nicht vergewisserte, denn in deinem Fall ist es nur zu wahrscheinlich, daß eine Todesnachricht der Wahrheit entspricht.« Damit ging der Kapitän hinaus und schloß die Tür.
In Gedanken noch bei den Worten seines Freundes, ging Maxim zu einem niedrigen Waschtisch, auf dem Krug und Waschschüssel standen, und wusch sich die Hände. Als von draußen weder Stimmen noch Schritte zu hören waren, nahm er eine Kerze und ging ans Fenster. Wieder schob er die Gardinen beiseite und bewegte die Kerze vor den nachtdunklen Scheiben von links nach rechts. Diese Bewegung wiederholte er mehrmals, dann blies er das Flämmchen aus. Im Schatten der Nacht verharrte er und wartete, bis aus einiger Entfernung auf ähnliche Weise Antwort kam.
Kaum war Maxim wieder im Erdgeschoß angelangt, trat die Frau des Hauses vor und bestimmte die Tischordnung im Esszimmer. »Katarina, du begleitest Nikolaus an seinen Tisch und bist seine Tischdame, während ich mich meinen Gästen widmen werde. Es würde mich interessieren, was Fräulein Elise und Herr Seymour auf ihren Reisen erlebt haben.«
Mit Katarina am Arm ging Nikolaus auf Elise zu. »Wenn es auf der Welt einen besseren Koch gibt als Dietrich, dann im Haus meiner Mutter.« Er hob die Hand wie zu einem Gelöbnis. »Ihr ahnt nicht, was Euch erwartet.«
»Erwartet mich ähnliches wie unter dem Mistelzweig?« fragte sie und lachte herzlich. »Kapitän, vor Euch bin ich lieber auf der Hut. Ich weiß nicht, ob man Euch noch trauen kann.«
»Ich gebe Euch einen guten Rat. Nikolaus ist nicht zu trauen«, verriet seine Mutter ihr halblaut. »Katarina wird mir sicher recht geben. Nikolaus ist ein schlimmer Junge.«
»Ich flehe Euch an, mein Fräulein, hört nicht auf diese Frauen«, bat Nikolaus. »Ihr seht ja, wie sie mir zusetzen. Am liebsten würden sie mich am Spieß braten.«
»Das hört sich interessant an und ist gewiß ein angenehmer Zeitvertreib«, zog Elise ihn auf. »Vielleicht versuche ich es auch einmal.«
Nikolaus stöhnte in gespieltem Schmerz auf. »Wie konnte ich Euch nur in dieses Irrenhaus bringen!«
»Kapitän, nun ist mir manches klar«, meinte
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