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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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Elise mit ihrem reizendsten Lächeln. »Für mich seid Ihr nun nicht mehr der mächtige Hansekapitän, der lange Zeit Heimat und Familie entbehren muß, denn ich sehe jetzt, daß Ihr Eure Lieben stets im Herzen tragt, sei es hier oder in der Ferne.«
    Seine Mutter strahlte. »Ja, so ist es. Nikolaus ist in Gedanken immer bei uns, wo er auch sein mag.«

18
    Mit dem Nahen der Mitternacht stieg der Mond am gestirnten schwarzen Himmel empor. Die kalte Nachtluft trieb von der Ostsee her schneeträchtige Wolken in die Lübecker Bucht, so daß die Stadt allmählich in ein salziges Laken gehüllt wurde. Maxim Seymour hielt vor der Haustür der von Reijns inne. Er sah angestrengt zu den Einmündungen der Seitenstraßen hin, die vom Haus aus zu überblicken waren. Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze setzte er sich zielstrebig in Bewegung. Nach einigen Häuserblocks drückte er sich plötzlich in das nächste Gässchen und verharrte dort eine Weile. Als er sicher war, daß ihm niemand folgte, setzte er den Weg rasch fort. Kurze Zeit später ragte auf der gegenüberliegenden Straßenseite unmittelbar am Wasser die ›Löwentatze‹, drei Stockwerke hoch bis zum spitzen Giebel, auf. Ein verwittertes Schild an einer Eisenstange wies es als das gesuchte Wirtshaus aus: Die roten Lettern wölbten sich in einem verschnörkelten Schriftzug über dem Tatzenabdruck eines Löwen.
    Vor der Tür hielt der einstige Marquis inne, lauschte kurz, konnte aber keine Geräusche wahrnehmen. Er trat entschlossen ein und verdrückte sich in die Dunkelheit der Diele. Nur ein paar spärliche Kerzen erhellten die leere Schankstube. Ein spindeldürrer Bursche fegte die rohen Bodenbretter. Der Junge war in seine Arbeit vertieft und gab nicht zu erkennen, ob er das Eintreten des Fremden bemerkt hatte.
    Maxim streckte die Hand nach dem Seil der kleinen Schiffsglocke aus, die an einem Pfosten neben dem Eingang hing, aber der Junge ließ sich bei seiner Arbeit nicht stören. Aus den Tiefen des Wirtshauses näherten sich Schritte, und ein hochgewachsener Mann mit hängenden Schultern erschien in der Tür im Hintergrund des Schankraumes. Den Blick auf den Eingang gerichtet, kam er auf Maxim zu.
    »Bitte, tretet näher«, lud der Wirt Maxim ein. »Bei uns lassen sich leider nur selten Gäste blicken.«
    »Eigentlich bin ich kein Gast«, antwortete Maxim, und sofort wurde der Blick des Wirts argwöhnisch. Maxim angelte eine Münze aus der Tasche seines Umhangs und legte den Goldsovereign auf die Platte eines Tisches.
    »Sprecht Ihr Deutsch?« fragte der Wirt mißtrauisch, ohne daß er Anstalten gemacht hätte, nach der Münze zu greifen.
    »Man sagte mir, Ihr könnt Englisch«, entgegnete Maxim.
    »Wie ist Euer Name?« fragte der Mann nach einer Pause.
    »Seymour… Maxim Seymour.«
    Der Wirt ging die wenigen Schritte bis zum Tisch, griff nach der Münze und begutachtete sie eingehend, bis er sah, daß die eine Seite das Bild der Königin trug und die andere ihn als den Fremden identifizierte, der ihm angekündigt worden war. Da verzog er die Lippen zu einem Lächeln und warf Maxim die Münze im hohen Bogen zu, die dieser geschickt auffing und wieder einsteckte.
    »Nun, Mylord, schätze, Ihr seid's«, sagte der Wirt. »Ich bin Tobie.« Sein Englisch war dialektgefärbt und verriet seine einfache, ländliche Herkunft.
    Mit einem Blick zu dem fegenden Jungen hin fragte Maxim: »Was ist mit ihm?«
    »Ach, denn könnt Ihr vergessen. Der Junge ist taub und einfältig.«
    »Und was ist mit den Männern, die ich hier treffen soll?«
    »Master Kenneth und sein Bruder, die sind vor einer Woche aus Hamburg gekommen. Sie sagten, daß bald ein Gentleman aufkreuzen würde. Als ich Euer Lichtsignal sah, holte ich die beiden. Sie erwarten Euch oben.«
    »Und die anderen Gäste?«
    »Wir haben nur wenige. Und keiner ist darunter, den es schert, was hier vorgeht. Sie sind alle meine Freunde, mehr oder weniger.«
    Maxim streifte den Wirt mit einem nachdenklichen Blick. »Ihr sprecht gut Deutsch«, sagte er. »Wie kommt es, daß Ihr diese Sprache gut sprecht und Englisch so erbärmlich?«
    Tobie hakte die Finger in den Strick, den er als Gürtel umgebunden hatte, und wippte leicht auf den Fußspitzen. »Hm, ich glaub', es ist besser, alle Welt denkt, ich war' ein ganz gewöhnlicher Tölpel.«
    »Wenn Ihr wollt, dann versteckt Euch hinter einer einfältigen Sprache, doch wenn es hart auf hart kommt, dann wird man uns in einer Reihe aufstellen, damit der Scharfrichter sein Werk

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