Tränen aus Gold
hat Seymour an Elizabeth?«
Nun war es an Nikolaus, sich jedes Wort zu überlegen. Nach einem weiteren genussvollen Schluck setzte er den Krug ab und verschränkte die Arme. »Tja, in diesem Punkt bin ich mir nicht so sicher«, setzte er behutsam an und sah dann Hillert mitten ins Gesicht. »Aber ich will Euch sagen, was ich weiß. Maxim Seymour ist ein Mann, der seine Verpflichtungen ernst nimmt. Für einen Freund stünde er mit seinem Leben ein, unbedacht handeln würde er aber niemals. Maxim ist einer, der seine Chancen genau abwägt. Als Gegner würde ich ihn achten. Als Freund schätze ich ihn über alles. Dennoch… er wurde zutiefst gedemütigt… in Besitz, Stand, Ehre, Würde beleidigt… Ihn dürstet nach Rache, und er braucht Geld. Deshalb erwog er bereits, seine Dienste Wilhelm dem Weisen und den Hessen anzubieten. Als Offizier hätte er Anspruch auf staatliche Bezüge. Und er wäre jeden Betrag wert.«
Ein berechnender Ausdruck trat in Hillerts Augen. »Ihr seid also der Meinung, er würde sich als Söldner verdingen?«
»Es entspricht seinen Absichten. Er ist noch nicht ganz mittellos, da er über Einkünfte aus Investitionen verfügt, auf die England keinen Zugriff hat, doch diese Mittel schwinden rasch dahin. Ich glaube aber, daß er in Wahrheit eine Rückkehr nach England plant. Sollte Elizabeth stürzen, würde er ganz sicher in die Heimat zurückkehren.«
***
Maxim nahm drei Stufen auf einmal und lief, im obersten Stockwerk angekommen, rasch zu Elises Tür, wo er sich den Hut vom Kopf riß und die Handschuhe abstreifte, ehe er klopfte. »Einen Augenblick«, ließ sich ihre Stimme vernehmen. Dann wurde die Tür geöffnet. Vor ihm stand Elise in einem blauen Gewand und mühte sich mit ihrer Manschette ab. In Maxims Blick lag unverhohlene Bewunderung, als er sie ansah, und das Lächeln war Zeichen seiner uneingeschränkten Zustimmung. Elise errötete tief.
»Schöne Maid, Eure Schönheit ist wie die Sonne, die dieses eisstarrende Land in Wärme und Helligkeit taucht«, sprach er galant, legte einen Arm über die Brust und vollführte eine höfische Verbeugung.
Das Kleid, das nur ganz dezenten Zierrat aufwies, ließ sie königlich erscheinen. Die üppigen Keulenärmel waren mit Reihen dunkelblauer Samtbänder und schmalen Seidenrüschen geziert, die in allen Blautönen, von Dunkel bis Silberhell, schimmerten. An den Gelenken wurden die Ärmel durch dichte Biesen zusammengefaßt und liefen in spitzenbesetzten, steifen Manschetten aus. Das mit Rüschen abgesetzte Mieder schmiegte sich eng an ihre schmale Taille, üppige Röcke in changierendem Blau wölbten sich über einem Reifrock. Die breite, gefaltete Halskrause war mit kostbarer Spitze besetzt und stand im Nacken hoch, ein vollendeter Rahmen für ihr liebliches Gesicht. Unter einer modischen federgeschmückten Toque, die keck auf ihrem Kopf saß, trug sie eine elegante Hochfrisur.
»Endlich!« rief Elise mit triumphierendem Lächeln aus, als sie das widerspenstige Häkchen geschlossen hatte. Sie vollführte eine kleine Pirouette, um ihm das neue Kleid vorzuführen, um sich sodann auf die Zehenspitzen zu stellen und mit einem flüchtigen Kuß seine Wange zu streifen. »Ach, Maxim, heute morgen fühle ich mich so wundervoll lebendig.«
»Ja, meine Liebe«, stimmte er ihr zu und zog sie an sich. »In meinen Armen sollst du aufleben.«
Sie lachte fröhlich und lehnte sich, plötzlich ernst werdend, in seinen Armen zurück. »Madame von Reijn richtete mir aus, daß du mit mir einen Ausflug vorhast. Leider hast du nichts über das Ziel verlauten lassen. Hast du Nachricht von meinem Vater? Treffen wir jemanden, der mir von ihm berichten kann?«
Maxim lachte auf. »Es scheint dir unmöglich, daß ich einfach mit dir allein sein möchte! Zwar müssen wir die Ringe noch tauschen, meine Geliebte, so bist du doch nun meine Anverlobte. Ich will mit dir beisammensein und wissen, daß du mein bist.«
Sie blieb ihm eine Antwort schuldig, doch ihr entzückter Blick sprach Bände.
»Ich habe eine Verabredung mit Sheffield Thomas getroffen«, fuhr er lächelnd fort, »einem Engländer, der zur gleichen Zeit hier war, als man deinen Vater entführte. Wenn du mit ihm gesprochen hast, kannst du dir selbst ein Urteil bilden, ob es dein Vater war, den er gesehen hat. Ich werde ihn heute abend hier ins Haus bringen, aber jetzt wollen wir ausgehen. Ich möchte den ganzen Nachmittag mit dir verbringen.«
»Aber wohin gehen wir?« wollte sie wissen.
»Das werdet
Weitere Kostenlose Bücher