Tränen aus Gold
wenig Wasser übriggelassen?«
Maxim lächelte. »Das versteht sich von selbst. Deinen Anblick im Bade möchte ich mir nicht entgehen lassen.«
Elise setzte sich, die Decke über die Brust gezogen, auf. »Ich kann mich nicht in deiner Gegenwart waschen. Das wäre unschicklich«, sagte sie scheu.
»Wie? Ich habe dich schon zuvor im Bad erlebt«, scherzte er. »Willst du mich um das Recht des Ehemannes bringen, seine Frau im Bad bewundern zu dürfen?«
»Nein, aber… ich würde mich über ein gemeinsames Bad freuen, nachdem ich… nachdem mir alles vertrauter ist.«
Maxim lachte auf und beugte sich vor, um ihr einen Kuß auf die warmen Lippen zu drücken. »Das Feuer muß geschürt werden, meine Liebe. Ich bin zurück, sobald du fertig bist.«
Er zog Hemd und Hose an und verließ die Kabine. Elise verlor keine Zeit, ihr Bad zu nehmen. Danach kleidete sie sich notdürftig an und durchsuchte eilig die Schreibtischfächer nach einem Kamm. Da stutzte sie plötzlich, als sie in einer Lade hinten einen Lederbeutel mit den Initialen RR entdeckte. Es waren dieselben Lettern wie jene auf der Börse ihres Vaters. Sie griff danach und wog den Beutel in der Hand. Nach Münzen fühlte er sich nicht an, aber…
Neugierig schüttelte Elise den Inhalt auf ihre Handfläche: Es war ein großer, auffallender Ring, dessen Onyxstein kunstvoll mit Gold eingefasst war. Mit zitternden Händen hielt sie den Ring ans Licht der Laterne. Nein, ein Irrtum war ausgeschlossen. Es war der Ring ihres Vaters!
Es pochte leise an der Tür. Elise fuhr herum und sah sich Maxim gegenüber. »Sieh doch!« rief sie aufgeregt. »Der Ring meines Vaters! Es muß doch mein Vater gewesen sein, den Sheffield sah. Aber warum? Warum sollte Hillert meinen Vater entführen?« Sie schüttelte verwirrt den Kopf. »Nur wegen des Goldes, das mein Vater versteckt hat? Gewiß besitzt Hillert selbst genug davon.«
»Dieser Mann kennt das Wort ›genug‹ nicht, meine Süße. Seine Habgier ist grenzenlos.«
»Das ist der beste Beweis dafür, daß mein Vater hier irgendwo festgehalten wird.«
Maxim schüttelte den Kopf und zog Elise zur Koje hin. »Nein, meine Liebe, ich glaube, man hat ihn wieder zurück nach England geschafft.«
»Du meinst, man hat ihn freigelassen?« Sie faltete die Hände und richtete den Blick wie im Gebet nach oben. »Oh, wenn es so wäre!«
»Ich fürchte, so ist es nicht.«
Maxim sah gerührt, wie ihre Hoffnung in Enttäuschung umschlug. Mit tränenblinden Augen starrte sie ihn an. Da nahm er sie auf den Schoß wie ein kleines Kind und wiegte die Schluchzende.
»Wenn du mir jetzt sagst, er ist tot… bei Gott, Maxim, ich glaube es nicht. Ich werde es nicht glauben, ehe ich nicht mit eigenen Augen seinen Leichnam gesehen habe.«
»Ehrlich, Elise, ich glaube wirklich, daß er noch lebt. Aber ich glaube nicht, daß er freigelassen wurde. Sollte er den Fehler begehen und seinen Entführern das Versteck des Schatzes verraten, dann könnte dies sein Ende bedeuten. Sein Schweigen ist sein einziger Schutz.«
»Er wird es niemals verraten«, sagte Elise und kämpfte mit ihren Tränen. »Er wird nie zusammenbrechen. Auch nicht, wenn man ihn foltert und quält. Er ist stark und klug.«
»Dann wollen wir hoffen, daß wir rechtzeitig England erreichen, um ihn befreien zu können.«
Verwundert blickte Elise auf. »Du willst zurück nach England?«
»Ja, weil es zu gefährlich ist, über den Frühlingsbeginn hinaus hier zu bleiben. Justin hat völlig recht. Hillert wird bald erfahren, wer Gustav getötet hat, wenn er es nicht schon weiß. Und er wird mich mit seiner ganzen Meute verfolgen.«
»Vielleicht ist es gar nicht ratsam, jetzt nach Hohenstein zurückzukehren?«
»Hohenstein ist im Augenblick unsere einzige Zuflucht. Aber sei beruhigt, ich habe Vorkehrungen für die Verteidigung der Burg getroffen. Wir werden es Hillert nicht leichtmachen, und so Gott will, werden wir siegen.«
Elise legte den Kopf auf seine Schulter. »Maxim, ich vertraue dir mein Leben an. Nie hätte ich gedacht, ich würde mich jemals freuen, zurück nach Hohenstein zu kommen.«
Maxim drückte einen Kuß auf ihre Lippen, als er, Elise eng umschlungen, aufstand. Er schlug die oberste Decke zurück und legte Elise hin. Gleich darauf hatte er sich entkleidet und war zu ihr unter die Decke geschlüpft. Sich in den Armen liegend, kümmerte es sie nicht, was sich in der Welt jenseits des Schiffes zutrug.
***
Elise erwachte, noch trunken vom Schlaf, und behagliche Wärme
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