Tränen aus Gold
enden«, erwiderte Maxim gedankenverloren, den Blick auf die Koje gerichtet. Die weichen Felle versprachen behagliche Wärme, trotz der großen Kälte, doch die Gegenwart des jungen Mannes schloß jede Hoffnung auf Intimitäten aus.
»Allmählich wird mir klar, daß Ihr nicht in Hillerts Diensten steht«, bemerkte Justin. »Seid Ihr ein Spion?« fragte er neugierig.
»Spion für wen?« höhnte Maxim. »Ich bitte Euch! Schmückt meine Taten nicht über Gebühr aus. Ich bin heimatlos und geächtet.«
Weiteren Fragen wich Maxim aus. Er nahm die Kabine genauer in Augenschein: Die Wände waren holzgetäfelt. Nur neben der Tür schützte ein armlanges Stück Blech den Boden unter einem Türchen, das in eine Ziegelwand eingelassen war. Er hob die Verriegelung, öffnete das Türchen und stellte fest, daß es wie vermutet in das Innere des Kombüsenherdes führte.
»Sehr schlau, dieser Hillert, sich eine kleine Kombüse ganz in der Nähe einrichten zu lassen. So brauchen wir nicht zu frieren.«
»Meint Ihr, wir sollten Feuer machen?« fragte Justin.
»Wir müssen ohnehin vor Tagesanbruch fort, und ich bezweifle, ob sich in der Nacht jemand am Kai herumtreibt«, erwiderte Maxim. »Ich sehe nicht ein, warum wir länger frieren sollen.«
»Ich werde Euch eine Zeitlang allein lassen müssen«, erklärte nun Justin. »Wenn Hillert erfährt, daß Ihr der Ostländer seid, der Gustav tötete, dann wird er die ganze Stadt durchkämmen. Ich möchte zurück zu Tante Thérèse, damit ich Eure Truhen packen kann und Ihr noch vor Tagesanbruch Lübeck verlassen könnt. Wenn Ihr mir sagt, wo ich Eure zwei Freunde finde, werde ich veranlassen, daß sie mit dem Schlitten am Stadtrand auf Euch warten, bis ich Eure Pferde holen und Euch durch die Stadt führen kann.«
Maxim baute sich vor dem jungen Mann auf. »Kann man Euch denn trauen?«
Stolz richtete Justin sich auf. »Ich habe jetzt lange genug für die Hanseaten den Possenreißer und harmlosen jungen Spund gespielt«, stieß er mit bebenden Lippen hervor. »Niemand ahnt, daß ich schon seit einigen Jahren in verschiedenen Verkleidungen den Herren der Stadt üble Streiche gespielt habe. Ich kann nicht zulassen, daß meine Ehre in Zweifel gezogen wird.«
»Beruhigt Euch«, beschwichtigte Maxim ihn. »Zorn vermag aus einem Mann einen Narren zu machen.«
»Habe ich Euch heute so schlecht gedient, daß Ihr an mir zweifeln müßt?«
»Ihr habt uns allen gut gedient«, gab Maxim zu. »Aber über Verantwortung müßt Ihr noch viel lernen.«
»Ach? Und warum?«
»Zum Beispiel« – Maxim zeigte sich ein wenig verärgert – »weil Ihr Elise in die Versammlung eingeschleust habt, obwohl Euch die Gefahr bewußt sein mußte…«
»Maxim, hör zu«, bat Elise, »es war meine Schuld, denn ich folgte ihm heimlich, und hätte er mich nicht in seine Obhut genommen, ich wäre auf eigene Faust eingedrungen.«
»Meine Liebe, du wärest ohne Hansesiegel, das Justin zweifellos besitzt, nicht an der Wache vorbeigekommen…«
»Ach, da fällt mir ein«, unterbrach Justin ihn, »wie seid Ihr eigentlich hineingekommen?«
Der Marquis begegnete Justin mit unbewegtem Gesicht. Er sah zwar keinen Grund, ihn ins Vertrauen zu ziehen, andererseits konnte es jetzt keinen Schaden mehr anrichten, wenn er die Neugierde des jungen Mannes befriedigte. »Wenn Ihr es unbedingt wissen müßt – nun, ich sagte dem Posten, wir wären Kaufherren aus Nowgorod und Hillert hätte uns persönlich eingeladen. Ich half mit einem Dokument mit Hillerts Siegel nach.«
»Ach, deshalb diese Kleidung… Aber woher habt Ihr die Sachen bekommen?«
»In den Jahren, die ich auf Reisen verbrachte, habe ich Freunde gewonnen«, erwiderte Maxim. »Da diese eine gewisse Abneigung gegen Hillert haben, halfen sie mir gerne aus.«
»Natürlich bleibt es Euch überlassen, ob Ihr mir traut«, fing Justin wieder an. »Ihr könnt aber auch warten, bis Hillerts Leute Euch aufstöbern. Wenn Ihr zum Haus der von Reijns zurückkehrt, gefährdet Ihr alle Bewohner. Vertraut mir, so wie ich Euch vertraue. Ich habe nicht die Absicht, dem Mann einen Gefallen zu tun, der meinen Vater auf dem Gewissen hat.«
Elise legte die Hand auf Maxims Arm. »Ich glaube, man kann ihm trauen. Er will uns nichts Böses.«
Justin lächelte dankbar. »Elise, Ihr seid sehr gutherzig.«
Maxim sah den jungen Mann nachdenklich an. »Nun gut, ich will mich dem Urteil der Dame anschließen. Sollte es sich als falsch erweisen, dann werdet Ihr es büßen. Denkt
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