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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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ließ den Frühling ahnen, so daß Elise ihre Kapuze zurückschob und stehen blieb, um die sanfte Wärme auf ihrem Gesicht zu spüren. Eine Weile stand sie nur da und genoß die belebenden Strahlen. Als sie weitergehen wollte, fiel ihr Blick auf einen Farbfleck am Fuße der Mauer. In einer Mauerritze sprossen grüne Blättchen, geschützt und doch von der Sonne gewärmt. Und inmitten der grünen Blätter… Elise kniete nieder, um besser sehen zu können. Wahrhaftig! Ein winziges weißes Blümchen! Elise streifte ihren Handschuh ab, streckte die Hand aus und pflückte das Blümchen vorsichtig.
    Einst, vor langen Jahren, hatte sie Wiesenblumen gepflückt und einen bunten Kranz gewunden, der das dunkle Haar ihres Vaters schmücken sollte. Elise schwelgte in Erinnerungen, und ein schmales, von hohen Klippen begrenztes Strandstück tauchte vor ihrem Auge auf. In den Klippen waren Höhlen, und die Wellen leckten ohne Unterlass am Strand. Elise glaubte wieder jenes Freiheitsgefühl zu spüren, das sie damals als barfüßiges Kind am Strand erlebt hatte, als sie mit ihrem Vater um die Wette gelaufen war. Und auch die nebeligen Moore mit bewaldeten Hügelrücken kamen ihr wieder in den Sinn, ein großes Haus, Trümmer einer Ruine, auf denen sie gesessen und den Wolken nachgeblickt hatten. Er hatte diesen Ort geliebt und sie oft beschworen, dorthin zurückzukehren, um übers Moor zu wandern und die Höhlen zu erkunden, wie als Kind die feuchte Luft auf der Haut zu spüren und auf den Steinen zu sitzen. Er hatte ihr sogar das Versprechen abgenommen, nach seinem Tod zurückzukehren, das Porträt ihrer Mutter, das jahrelang im Haus gehangen hatte, an sich zu nehmen und all das zu tun, das sie gemeinsam getan hatten.
    Elise hob den Kopf, als hörte sie eine Stimme aus der Vergangenheit, die in ihrem Bewußtsein widerzuhallen schien. Geh zurück, geh zurück, mahnte die Stimme.
    Da ertönte ein Ruf vom Turm her. Sie wandte den Kopf, als von ferne schon die Antwort kam. Die Augen mit der Hand gegen die Helligkeit des Schnees abschirmend, ließ Elise den Blick die Straße entlangwanden, bis sie zwei Reiter erspähte. Ihr Herz schlug schneller, als sie Maxim erkannte. Sie hob die Röcke und lief den holprigen Pfad an der Mauer entlang zurück. Das dumpfe Getrappel der Pferdehufe auf der Brücke erfüllte Elise mit freudiger Erregung. Und als die Männer auf dem Hof einritten, beschleunigte sie ihren Schritt und lief über die Brücke.
    Maxim zügelte Eddy, als er ihre Schritte hinter sich vernahm. Da er Sherbourne ausdrücklich aufgetragen hatte, vor Hillert auf der Hut zu sein, war er nicht wenig verwundert, als er Elise über die Brücke laufen sah. Sein erster Impuls war, Sherbourne zu tadeln, weil er sie allein umherstreifen ließ, doch als seine junge Frau näher kam, verschlug es Maxim beim Anblick ihrer strahlenden Schönheit die Sprache. Atemlos, mit geröteten Wangen und offen auf den Rücken fallendem Haar bot sie einen Anblick, der sich ihm für immer ins Gedächtnis grub.
    Maxim saß ab, er nahm den Helm vom Kopf und ließ ihn zu Boden fallen, als sie in seine Arme flog. Er fing sie auf und wirbelte mit ihr im Kreis, bis sie entzückt auflachte. Dann hielt er inne und suchte ihre Lippen, ohne der Umstehenden zu achten.
    Sir Kenneth hob sein Visier und wischte sich mit dem Rücken seiner behandschuhten Hand über den Mund, während er das Paar beobachtete. Trotz des Verlustes von Titel und Gütern war der Marquis vom Glück begünstigt, dachte er nicht ohne einen Anflug von Neid.
    Maxim ließ seine Frau los, und ihre Arme glitten langsam von seinem Nacken. Langsam öffnete sie die Faust und zeigte ihm das weiße Blümchen. Als sie ihm in die Augen sah, ahnte er in ihrem Blick ihre heimliche Furcht.
    »Der Lenz ist da«, flüsterte sie verträumt. »Kann das Ungeheuer noch weit sein?«
    Maxim streifte den Lederhandschuh ab und strich ihr zärtlich mit dem Daumen um den Mund. »Meine Liebe, in Lübeck befanden wir uns in Hillerts Revier, und doch war der Tag unser. Das hier ist unsere Domäne.«

25
    Der Südwestwind, der durch die nördlichen Landstriche blies, brachte die Verheißung des Frühlings nach Hohenstein. Zwei Tage tobten heftige Gewitter. Noch während der Nacht hörte man von ferne das Grollen der Donner. Immer wieder zerrissen Blitze die aufgewühlten Wolken und erhellten die Umgebung. Elise, die am Kamin ihr Haar bürstete, fuhr erschrocken auf, als ein Blitz die dunklen Schatten ihres Schlafgemachs mit

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