Tränen aus Gold
Arabella brauchte deine Gesellschaft. Sie ist jetzt Witwe…«
Diese Eröffnung versetzte Elise einen neuen Schlag. Von Mitleid erfüllt, umarmte sie ihren Onkel, der gerührt ein Schluchzen unterdrückte. Auch die kleinsten Zeichen von Zuneigung waren für ihn eine Seltenheit geworden, was ihn besonders demütigte.
»Onkel Edward, es tut mir ja so leid«, flüsterte Elise fassungslos. »Das wußte ich nicht. Arme Arabella… sie muß untröstlich sein.«
Edward, um Fassung ringend, berichtete nun, was vorgefallen war. »Vor etwa einem Monat fand man Reland nach einem Ausritt tot im Fluss. Sicher hat sein Pferd gescheut und ihn abgeworfen. Er muß mit dem Kopf hart aufgeschlagen sein, weil er ertrank, ehe er zu sich kam.«
»Wo ist Arabella? Ich würde sie gern sprechen«, sagte Elise und ließ den Blick durch die Halle schweifen.
»Sie ist auf Besuch bei einer Freundin«, antwortete Cassandra vom Eingang her. »Sie wird sicher später kommen – sie klatscht zu gern mit ihrer Freundin.«
Edwards Miene verzerrte sich, als ihn ein Krampf überfiel. Er hielt sich den Bauch, Schweiß trat ihm auf die Stirn. Elise nahm seinen Arm, um ihn zu einem Sessel zu führen, aber er lehnte kopfschüttelnd ihre Hilfe ab, und gleich darauf war der Schmerz vorbei. Mühsam richtete er sich auf. »Ich gehe jetzt hinauf ins Bett. In letzter Zeit fühle ich mich gar nicht gut und bin sehr müde.«
»Onkel… ich muß dich etwas fragen…« Elise sah Edward in die glasigen Augen und hatte beinahe Angst, diese Frage zu stellen, da in ihr ein furchtbarer Verdacht aufstieg… »Woran leidest du? Als ich dich zuletzt sah, warst du gesund und wohlauf. Was sagen die Ärzte?«
»Ach die!« winkte Edward müde ab. »Die kratzen sich bloß die Köpfe. Dieser bohrende Schmerz… er fing wenige Wochen nach deiner Entführung an. Meine liebe Cassandra pflegt mich, seitdem es mir so elend geht. Die Ärzte gaben mir ein widerliches Gesöff, und meine liebe Frau versichert mir, daß es hilft… aber ich werde immer schwächer…« Damit schlurfte er davon.
»Armes Kind, für dich muß es eine böse Überraschung sein, daß es mit Edward so bergab gegangen ist«, bemerkte Cassandra und ging auf Elise zu. Als sie ihr die Wange tätscheln wollte, wich ihre Nichte angewidert zurück, was Cassandra lächelnd überging, um mit übertriebener Besorgtheit fortzufahren: »Wir alle sind seinetwegen in großer Sorge.« Sie warf einen Blick über die Schulter, um sich der Zustimmung ihrer Söhne zu versichern. »Wir haben unser Bestes getan, um ihm zu helfen.«
»Ja, unser Bestes«, bestätigte Forsworth und grinste. »Niemand kann uns einen Vorwurf machen.«
Cassandra zog gleichmütig die Schultern hoch. »Er wird das Jahr nicht überleben.«
»Sicher hast du für den Fall seines Ablebens bereits Vorkehrungen getroffen«, gab Elise giftig zurück.
Wieder umspielte ein selbstzufriedenes Lächeln ihre Lippen. »Natürlich. Am Tag unserer Hochzeit unterschrieb Edward einen Ehevertrag. Er verpflichtete sich, alle meine Schulden zu zahlen und mir im Falle seines Todes sein gesamtes Vermögen zu vermachen. Sollte er von uns gehen, der Ärmste, dann werde ich eine reiche Frau sein.« Cassandra warf den Kopf zurück und musterte ihre Nichte. »Mir scheint, liebe Elise, du hast dich verändert. Ich muß sogar zugeben, daß du schöner geworden bist. Oder vielleicht nur reifer.«
»Hoffentlich bin ich jetzt eher imstande, dich zu durchschauen, Cassandra«, gab Elise schlagfertig zurück.
Als hätte sie diese Bemerkung überhört, fuhr Cassandra fort: »Über diesen ruchlosen Schurken Seymour waren so wilde Gerüchte im Umlauf, daß die Hoffnung, er möge dir nichts angetan haben, wahrscheinlich vergeblich ist. Im Gegenteil, ich glaube fast, daß er deine Gefangenschaft ausgenützt hat.« Als Cassandra Elises Erröten bemerkte, schlug sie weiter in diese Kerbe. »Ein so betont männlicher Mann wie er und ein junges Mädchen… Einfach unvorstellbar, daß nichts passiert sein soll.«
Elise hatte sich rasch gefaßt. »Ich wußte nicht, daß du dich in denselben Kreisen bewegst wie Lord Seymour und zu wissen meinst, wie er wirklich ist. Soviel ich weiß, war er in der Wahl seiner Gefährten und Freunde immer heikel und hat sich nie mit Dieben und Mördern abgegeben.«
»Hört! Hört! Der Mann hätte schon längst wegen seiner Verbrechen hängen sollen«, erwiderte Cassandra unbeirrt. »Ich bin sicher, daß die Königin eine Belohnung auf seinen Kopf aussetzen
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