Tränen aus Gold
am Handgelenk fest. Nicht genug, daß ihm der eine Diener Paroli geboten hatte, jetzt machte sich, einen Schritt hinter dem Großen, auch der andere bemerkbar.
»Wenn meine Herrin sagt, Ihr sollt Euch trollen, dann solltet Ihr das beherzigen«, forderte nun Spence den hitzigen Forsworth auf. Als sich seine Brüder auf ihn stürzen wollten, griff er schnell nach der Pistole, die Fitch ihm zusteckte. Diesem war es vor dem Verlassen des Schiffes gelungen, sich unbemerkt zwei Pistolen anzueignen, für den Fall, daß es Schwierigkeiten geben sollte. Und diese waren früher eingetreten als erwartet. Spence richtete die Pistole auf die drei Brüder. »Wer einen Schritt tut, den durchlöchere ich«, warnte er. »Wen ich treffe, ist mir einerlei.«
Cassandra wollte auf die beiden zugehen, doch Spence hatte sie ebenso im Auge wie ihre Söhne. »Mylady, bleibt, wo Ihr seid. Ich möchte die Teppiche meiner Herrin nicht mit Blut beflecken.«
»Das ist die Höhe!« stieß Cassandra wütend hervor, sich an Elise wendend. »Ich bin deine Tante, und du läßt zu, daß mich dieser Tölpel bedroht?«
Ein leeres Lächeln umspielte Elises reizvollen Mund. »Ich kann mich an eine Zeit erinnern, da gabst du deinen Söhnen den Befehl, mich zu schikanieren. Ich ermächtige diese Männer zu tun, was sie tun müssen, um mich vor dir und deinen Söhnen zu schützen. Ich weiß nicht, wie du meinen Onkel herumgekriegt hast, damit er dich zur Frau nahm, doch ist offensichtlich seine Gesundheit in ernster Gefahr… und ich muß das Schlimmste befürchten. Ich erinnere mich: Vor langer Zeit, als ich noch ein Kind war, da brabbelte eine Frau aus der Dienerschaft, hochbetagt und angeblich wirr im Kopf, ununterbrochen, sie habe beobachtet, wie du erst meine Mutter und dann deinen Mann vergiftet hast.« Elise bemerkte sehr wohl, wie ihre Tante zusammenzuckte. »Und jetzt scheint Edward an deiner Pflege zugrunde zu gehen. Ich werde dafür sorgen, daß du für deine Untaten vor Gericht gestellt wirst.«
Cassandra richtete sich mit angeschlagenem Stolz auf. »Ich bleibe keine Sekunde länger in diesem Haus und lasse mir diese schäbigen Beschuldigungen nicht gefallen!«
»Ja, sieh zu, daß du dich sputest«, spottete Elise. »Laufe um dein Leben, denn ich werde dich mit Bluthunden hetzen! Geh! Verlasse auf der Stelle mein Haus!«
Wie benommen tat Cassandra ein paar Schritte und gab dann ihren Söhnen mit einem matten Kopfnicken zu verstehen, sie sollten ihr folgen. Aller Hochmut war von ihr abgefallen. Sie hatte es plötzlich eilig, dieser rachedurstigen Furie zu entkommen, die zu einer gefährlichen Gegnerin geworden war.
Lautstark und unter viel Aufhebens warfen Cassandra und ihre Söhne ihre Habseligkeiten in Truhen und schleppten mit, was sie befördern konnten. Stille senkte sich über das Haus, und erst jetzt wagten sich die Bediensteten hervor, um ihre Herrin gebührend willkommen zu heißen. Erleichtert machten sie sich daran, Elises Räume herzurichten und ihre Sachen auszupacken.
Körperlich und seelisch erschöpft, hatte Elise nicht mehr die Kraft, in die Halle zu gehen und etwas zu sich zu nehmen. Sie ging sofort hinauf in ihre Gemächer, wo sie sich ermattet aufs Bett fallen ließ. Als Clara ihr etwas zu essen brachte und ihr beim Auskleiden half, brachte sie nur noch ein paar gemurmelte Worte über die Lippen, ehe sie mit einem tiefen Seufzer im Bett die ersehnte Ruhe fand. Träume von Maxim stellten sich ein und wiegten sie in den Schlaf.
Viel später, schon während der frühen Morgenstunden, wachte Elise plötzlich auf. Irgendein Geräusch hatte sie geweckt. Elise schlüpfte in ihren Morgenrock und ging leise den Gang entlang zu den Gemächern, die Arabella bewohnte. Ein leises Klopfen blieb unbeantwortet, und Elise trat ein. Das Mondlicht fiel durch die Spitzengardinen ein und erhellte einen Boden, der mit Kleidungsstücken übersät war. Nahe der Tür lag ein nobles Satinkleid, daneben Unterröcke und ein Reifrock. Neben dem Bett sah sie einen weißen Barchent und Seidenstrümpfe. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, das Bett zerwühlt. Jedes der beiden Kissen hatte einen Kopfabdruck, und Elise ahnte, daß derjenige, der hier geschlafen hatte, nicht allein gewesen war.
Nachdenklich schlich Elise zurück in ihr Zimmer, wo sie wieder zu Bett gehen wollte, als ein leises Gewieher sie innehalten ließ. Im Hof unten sah sie im Mondlicht Arabella in einem durchsichtigen Hauskleid neben einem Pferd, in dessen Sattel ein Mann saß. Er
Weitere Kostenlose Bücher