Tränen aus Gold
habt kostbare Fracht an Bord«, lächelte Andrew befriedigt, »eine Engländerin, die von einem Verräter entführt wurde. Wie sie in Eure Hände fiel, entzieht sich meiner Kenntnis, doch kam mir zu Ohren, daß ihr Onkel bei der Königin vorstellig wurde und bat, sie möge mit den Entführern hart ins Gericht gehen. Obwohl Elizabeth trotz des empörten Drängens der Familie dieser Dame noch zu keinem Entschluß gelangt ist, wäre es grobe Pflichtverletzung meinerseits, wenn ich mir die Gelegenheit zur Rettung von Mistreß Radborne entgehen ließe. Daher muß ich auf Eurer Festnahme bestehen. Meine Leute werden Euer Schiff übernehmen, und Ihr und Eure Leute werdet an Bord meines Schiffes in Ketten gelegt, bis wir die englische Küste erreichen.«
»Das verstößt gegen sämtliche Gesetze der Seefahrt…!« bäumte sich Nikolaus auf. »Ich bringe die Lady in ihre Heimat! Von Entführung kann keine Rede sein!«
»Eure Behauptungen entbehren jeder Grundlage!« rief Elise erbittert, weil Sinclair ihre Anwesenheit nur als Vorwand benutzte, um Nikolaus festnehmen zu können. »Ich bat den Kapitän, er möge mich mitnehmen. Soll er jetzt bestraft werden, weil er mir einen Gefallen tat?«
»Wenn es so ist, Madame, werde ich mich glücklich schätzen, Euch auf mein Schiff zu bringen. Dann mag Captain von Reijn seiner Wege ziehen.«
»Verdammt!« brüllte Nikolaus wutentbrannt. »Das lasse ich nicht zu! Lieber lasse ich mich in Ketten legen, als daß ich sie mit Halunken wie Euch ziehen lasse!«
»Nikolaus, bitte«, versuchte Elise ihn zu mäßigen. »Es ist doch ganz einfach…«
»Elise, Ihr seid mir anvertraut, und ich lasse nicht zu, daß man Euch fortschafft.« Er zog sie ein Stück beiseite und raunte ihr zu: »Einmal habe ich Euch im Stich gelassen, ein zweites Mal wird es nicht geschehen.«
»Nikolaus, macht Euch meinetwegen keine Sorgen. Ich kann auf mich allein aufpassen…«
Er schüttelte den Kopf. »Wenn Captain Sinclair Euch Gewalt antut, dann seid Ihr wehrlos. Wer kann nach so kurzer Zeit beurteilen, ob er ein Gentleman ist oder nicht?«
»Spence und Fitch könnten mitkommen…«
Der Hansekapitän deutete verächtlich auf die beiden, die sich, grün im Gesicht, neben Eddys Box niedergelassen hatten. Ihre Augen blickten unter schweren Lidern jämmerlich hervor. Keiner der beiden sah aus, als könnte er mit sich selbst fertig werden, geschweige denn mit dem Engländer. »Elise, die Verantwortung für Eure Sicherheit wurde mir übertragen, daher kann ich Euch einem anderen nicht anvertrauen. Und was die beiden dort drüben betrifft, so haben die sich schon über die Reling gebeugt, kaum daß wir den Anker gelichtet hatten.«
Nikolaus' Miene verhärtete sich, als er auf den Engländer zutrat. »Captain Sinclair, da England ohnehin mein Ziel ist, habe ich nichts dagegen einzuwenden, wenn Ihr mich dorthin eskortiert, doch wenn Ihr mich oder meine Mannschaft vor der Ankunft festnehmen wollt… oder wenn Ihr Lady Elise auf Euer Schiff mitnehmt, dann weise ich Euer Ansinnen mit allen Mitteln zurück, die mir zur Verfügung stehen.« Sinclair machte den Mund auf und wollte widersprechen, aber Nikolaus gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt. »Bedenkt, daß Ihr mich im Falle eines Fluchtversuches mit Euren Schiffen leicht einholt und über die Möglichkeit verfügt, mich aufzuhalten. Mich nach England zu eskortieren ist viel einfacher, als ein zerschossenes Schiff wieder seeklar zu machen.«
»Euer Standpunkt hat etwas für sich«, gestand Sinclair, der die Unbeugsamkeit des Hansekapitäns erkannte. Eine Konfrontation konnte zu einem blutigen Konflikt führen, für den man von ihm Rechenschaft fordern würde, erst recht, wenn die Engländerin gegen ihn aussagte. Andererseits wollte er auch nicht als Tölpel dastehen. »Ich verlasse mich auf Euer Wort. Ich werde Euch luvseits mit schussbereiter Breitseite begleiten, bis wir in die Themse einlaufen. Dann gewähre ich Euch Vorfahrt und folge Euch.«
Zurücktretend bedachte er Nikolaus mit einem ernsten Nicken und verbeugte sich tief vor Elise. »Bis zum nächsten Wiedersehen, Mistreß Radborne.«
Die Arme auf die Hüften gestützt und breitbeinig dastehend, beobachtete Nikolaus, wie die Engländer von Bord gingen. Er wartete, bis die Enterhaken eingezogen und zum anderen Schiff hinübergeworfen wurden, dann schritt er übers Deck und gab seiner Mannschaft Befehle. Was ihn in England erwartete, wußte er, doch war dies alles nun eine Sache seines Stolzes. Er
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