Tränen aus Gold
schnappte gierig nach Luft. Zähneknirschend mußte Elise sehen, wie die zwei Männer das Boot in ihre Gewalt gebracht hatten.
Diese starrten sie entsetzt an und verrieten ihr, welchen Anblick sie bieten mußte: Schilf auf dem Kopf, nasse Haarsträhnen im Gesicht, die gestärkte Krause wie die schlaffe Zierde einer unglückseligen Wassernixe um den Hals.
Obwohl das Wasser nicht sehr tief war, schaffte es Elise wegen ihrer nassen Röcke nicht, auf die Beine zu kommen. Verzweifelt suchte sie mit den Füßen Halt, stemmte sich hoch und spürte, daß ihre einst so eleganten Schuhe im Schlick versanken. Trotz Aufbietung aller Kraft gelang es ihr nur, sich zur Kauerstellung aufzurichten.
Fitch hatte inzwischen das Ruder zu fassen bekommen und versuchte damit, das Boot wieder flottzubekommen. Er stützte sich mit dem Ruder ab und brachte das Boot in ihre Nähe. Als er ihr die Hand reichte, tat er es mit ausdrucksloser Miene.
Hocherhobenen Hauptes kehrte sie ihm den Rücken zu und stapfte mit ihren triefenden Röcken durch den Schlamm ans Ufer. Kaum hatte sie festen Boden unter den Füßen, mußte sie sich zusammennehmen, um nicht vor Kälte mit den Zähnen zu klappern, während die zwei Männer das Boot an Land zogen. Elises verächtlichem Blick ausweichend, machten sie sich daran, ein Feuer zu entfachen. Die als Hülle überflüssig gewordene Draperie hängten sie über ein Seil zwischen zwei Bäumen, damit Elise sich dahinter zurückziehen konnte.
Hinter diesem provisorischen Paravent entledigte Elise sich ihrer Kleidung und versteckte ihre Börse fürs erste in einem hohlen Baumstamm. Die Männer breiteten die nassen Sachen am Feuer aus, während Elise sich notdürftig in die Felle hüllte. Spence war es gelungen, einen Hasen zu fangen, der nun, sorgfältig abgezogen, bald an einem Stecken über den Flammen brutzelte. Brot, Käse und Wein ergänzten das Mahl. Zwar schmeckte der Hase zäh, doch das Essen genügte, um Elises Hunger zu stillen. Kühl bedankte sich Elise bei den Männern für ihre Portion.
»Ihr solltet Euch jetzt ausruhen«, riet Spence ihr. »Sobald es dunkelt, geht es weiter.«
Ihr Samtgewand würde bis dahin kaum trocknen. »Was soll ich anziehen?« fragte sie. »Mein Gewand ist ruiniert, im Wasser habe ich einen Schuh verloren. Alles ist noch ganz nass!«
Spence entfernte sich kurz und kehrte dann mit einem Paar Lederschuhen, einem ausgefransten Wollkleid und einem Mantel aus festem Gewebe zurück. »Da wäre etwas, falls Ihr es zu tragen geruht«, bot er ihr die Kleidungsstücke an. »Einfaches Zeug, das seinen Zweck erfüllt, damit wir ohne Aufsehen an unser Ziel gelangen.«
Elise blickte finster drein. Sie hatte keine Ahnung, welches Ziel diese armselige Kleidung erforderlich machte. Daß sie nicht in luxuriöser Umgebung landen würde, war anzunehmen. Sie nahm die Sachen, da es töricht war, ein nasses Kleid zu tragen, und die Felldecken nicht ausreichten. Sie trocknete ihr Haar am Feuer, kämmte es mit den Fingern und ließ es lose auf die Schultern fallen. Als ihre Wäsche einigermaßen trocken war, zog sie sich hinter die Abschirmung zurück, nahm ihren Reifrock und machte daraus einen schmalen, gepolsterten Reifen, in den sie ihre Börse stopfte. Sie zog ihre Unterröcke an, schloß das Mieder des Wollkleides, zog die Schnüre um die Taille ganz eng und steckte die Füße in die Lederschuhe. Der graue Wollumhang, dessen Kapuze sie tief ins Gesicht zog, sorgte für Wärme, wie sie dankbar feststellte.
Die Nacht war fast hereingebrochen, als Elise sanft wachgerüttelt wurde. Nur widerstrebend lieferte sie den Männern die Felldecken aus, die im Boot für sie wieder als Unterlage dienen sollten.
»Ich werde mir noch den Tod holen«, klagte sie, »aber was kümmert das euch? Pah, ihr seid zwei herzlose Halunken. Noch aus dem Grab werde ich Rache fordern, das schwöre ich.«
»Nein, Mistreß, das stimmt nicht. Uns liegt Eure Sicherheit am Herzen, mehr als die eigene«, erklärte Spence.
Elise sah ihn zweifelnd an. »Nun, Spence, ich kann jedenfalls bezeugen, daß du deinen Pflichten nicht nachkamst. Eher möchte ich die Klageschreie der Geister aus dem Totenreich hören als weiterhin deiner Fürsorge ausgeliefert sein. Mein schwacher Körper ist alldem nicht gewachsen.«
Spence fehlten die Worte, um den Zorn des Mädchens zu besänftigen, das sich aus gutem Grund so aufregte. Er konnte ihr auch nicht verübeln, daß sie alle Schuld ihm und Fitch zuschob. Seine Lordschaft hatte sie beide
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