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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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und Fitch.
    Eine von ätzenden Gerüchen durchtränkte Feuchtigkeit drang ihr in die Nase. Elise, die sich durch diesen beklemmenden Dunst wie von der Wirklichkeit abgeschnitten fühlte, schauderte. Sie hatte eine dumpfe Ahnung, wo sie sich befanden. Die Gewissheit, daß in nicht allzu großer Entfernung, in dem alten Kloster von Whitefriar's, die Vagantenschar der Bettelbruderschaft hauste, war nicht dazu angetan, sie in Sicherheit zu wiegen. Als Junge verkleidet, hatte sie sich dort hineingewagt, um Erkundigungen über ihren Vater einzuholen, und hatte dort eine Clique verschiedenster, geradezu kunstfertiger Betrüger angetroffen, die nicht davor zurückschreckten, die Gräber oder die Galgen in Tyburn zu plündern. Unter ihnen befanden sich gewalttätige Kriegsveteranen, Pferdediebe, Langfinger aller Art, auch solche, die als Stumme und Lahme auftraten, um sodann im Schutz von Whitefriar's wilde Geschichten zum besten zu geben und sich grölend auf die strammen Schenkel zu klatschen. Am einfallsreichsten aber waren die für ihre abwegigen Methoden bekannten Trickbetrüger. Zu Elises schaurigsten Erinnerungen gehörte jener Kerl, der das abgehackte und vertrocknete Glied eines Toten an sich befestigt hatte, um als Krüppel auftreten zu können. Damals hatte sie Reißaus genommen, weil sie es vor Ekel nicht mehr aushielt. Außerhalb der Stadt, wo die Bettler in Gruppen zu Hunderten oder mehr unterwegs waren, eilte ihnen meist der Ruf: »Die Bettler kommen!« voraus. Innerhalb ihres Asylbereiches war dieser Ruf nie zu hören, so daß man nie wußte, ob man sich sicher fühlen konnte oder heimlich belauert wurde.
    Elises Begleiter, die ebenso nervös waren wie sie, warfen verstohlen Blicke um sich, ehe sie ihr die Treppe hinaufhalfen. An Flucht war nicht zu denken, und Elise fühlte sich vollkommen hilflos, als sie durch ein Gewirr enger Gassen geführt wurde, deren fauliger Gestank ihr würgenden Brechreiz bereitete. Dann folgte ein Labyrinth heruntergekommener Behausungen, bis sie zu einem schmalbrüstigen hohen Haus mit Spitzgiebel kamen. Das verwitterte Schild über der Tür zeigte an, daß sie vor der ›Red Friar's Schenke‹ standen.
    Tief in den Schatten des Eingangs gedrückt, spähte Fitch angestrengt nach beiden Seiten, ehe er an die Eichentür klopfte. Da sich nichts rührte, versuchte er es noch einmal. Schließlich hörte man von drinnen eine Stimme, gefolgt von Schritten. Ketten rasselten, ein Riegel wurde zurückgeschoben, rostige Angeln quietschten, die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und ein schmaler Lichtstreifen fiel heraus. Das Gesicht einer Frau wurde in dem Türspalt über einer Kerze sichtbar. Mit glanzlosem und schlaftrunkenem Blick sah sie die späten Gäste an.
    »Ramonda, bist du's?« fragte Fitch mißtrauisch.
    Der Blick der Frau wanderte langsam zu Elise und musterte sie aufmerksam. Ihr schiefes, spöttisches Lächeln enthüllte lückenhafte Zähne, dann wandte sie sich wieder Fitch zu. »Ja, ich kann mich an dich erinnern. Ihr habt mir den Lord gebracht.«
    »Das haben wir.« Nach einem misstrauischen Blick über die Schulter rückte Fitch näher heran. »Der Herr sagte, du würdest uns Unterkunft geben.«
    Die Tür ging mit lautem Quietschen weiter auf, und Ramonda bedeutete ihnen einzutreten. »Kommt rein, ehe jemand euch sieht.«
    Fitch faßte Elise am Mantel und zerrte sie mit sich. Seine Ungeduld trug ihm einen wütenden Blick seiner Gefangenen ein. »Kommt, Mistreß«, bat er sie, entschlossen, sie ohne Auseinandersetzung ins Haus zu schaffen, denn er war hier ebenso fremd wie sie. »Hier drinnen gibt es was zum Essen und ein Plätzchen zum Ausruhen.«
    Von den zwei kräftigen Männern flankiert, blieb Elise keine andere Wahl. Den Mantel eng um sich raffend, trat sie durch die schmale Tür ein, dichtauf gefolgt von ihren zwei Begleitern, die ihr vor lauter Hast fast auf die Fersen traten. Kaum waren sie im Hausinneren, wurde die Tür zugeschlagen und verriegelt. Fitch und Spence atmeten erleichtert auf.
    »Nur keine Bange.« Ramonda verzog den Mund zu einem Lächeln, als sie Spence eine Kerze reichte. »Hier seid ihr in Sicherheit.«
    Die beiden schienen davon nicht so überzeugt. Man konnte nicht wissen, was in den finsteren Winkeln lauerte. Im Herd knisterte noch Glut. Abgestandener Bierdunst, Qualm und Schweißgeruch hingen in der Luft der niedrigen Gaststube.
    Elise spürte Ramondas prüfenden Blick auf sich und erwiderte ihn kühl und argwöhnisch. Dies war das dritte

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