Tränen aus Gold
nicht die Schuld Seiner Lordschaft. Er hat die Miete für ein Haus in Hamburg bezahlt. Der Vermittler, dieser Hans Rubert, ist schuld. Man sagte ihm, unser Schiff sei untergegangen, und da überließ er das Haus, für das Seine Lordschaft bezahlte, seiner verwitweten Schwester.«
Elise hörte es zähneknirschend. »Vermutlich hat dir dieser Rubert diese Ruine für einen Bettel überlassen.«
Fitch ließ den Kopf hängen und nickte zustimmend.
Elise stützte die Hände in die Hüften und herrschte ihn an. »Und wenn es auch nur ein Bettel war, dann war es zuviel.« Mit einer weit ausholenden Geste umfasste sie das desolate Burginnere. »Blick um dich, und sage mir, wie jemand in diesem Dreck leben kann.«
»Vielleicht wenn gründlich saubergemacht wird«, meinte Fitch kleinlaut.
Fassungslos starrte Elise ihn an. »Was sagst du da? Bietest du womöglich deine Dienste an? Wirst du kniend den Boden schrubben, bis er glänzt? Wirst du die Tür in Ordnung bringen? Den Kamin fegen?« Fitch wich unbehaglich unter ihren niederprasselnden Fragen zurück, aber Elise ließ nicht locker: »Wirst du die Fenster in Ordnung bringen, die Läden, den Herd, das Gebälk, und wirst du Schilfmatten für den Steinboden flechten?«
Mit dem Rücken gegen die Wand blieb er stehen und fuchtelte aufgeregt mit den Armen, als sie immer näher kam. »Mistreß, es wird uns nichts anderes übrig bleiben. Bis Seine Lordschaft kommt, haben wir kein Geld für etwas Besseres.«
»Hast du nicht die Differenz der Miete von Rubert bekommen?« fragte sie, obwohl sie sich die Antwort denken konnte.
Beschämt schüttelte er den Kopf. »Nein. Hans Rubert sagte, Seine Lordschaft schulde ihm Geld, und außerdem wollte er die Sache nicht mit einem Diener besprechen. Ich mußte sogar noch etwas zuschießen. Mehr konnte ich mir nicht leisten, weil ich ja auch noch Proviant besorgen mußte.«
Mit wachsender Verzweiflung blickte Elise um sich. Aus irgendeinem Grund hatte sie wohlausgestattete Räumlichkeiten erwartet, ein Bad, ein warmes Schlafzimmer mit Daunendecken und natürlich ein köstliches Abendessen. Sie hatte schon die Nacht zuvor nicht schlafen können, dann das lange Warten, nachdem sie an Land gegangen waren, und schließlich der ermüdende Ritt – all das hatte sie viel Kraft gekostet. »Uns bleibt tatsächlich keine andere Wahl«, gab sie entmutigt nach. »Morgen müssen wir nachzählen, wieviel Geld dir geblieben ist, und entscheiden, was als erstes getan werden muß. Im Augenblick müssen wir uns mit den unbequemen Gegebenheiten abfinden.«
»Das wird nicht einfach sein«, bemerkte Fitch niedergeschlagen. Ein eisiger Windstoß, der durch die Halle fegte, ließ Elise frösteln. »Ein Feuer wäre wunderbar, und vielleicht findet sich etwas, um die Fenster abzudichten… Spence wird die Pferde versorgen. Ich hole Brennholz und schaffe die Vorräte herein. Dann will ich mal sehen, was sich an Fenstern und Läden machen läßt.«
Er lief hinaus, und Elise sah zum oberen Stockwerk hinauf. Sie mußte unbedingt feststellen, ob die Räumlichkeiten oben in ebenso erbärmlichem Zustand waren. Sie raffte ihre Röcke hoch und lief die Treppe hinauf. Vom oberen Treppenabsatz zweigte ein kurzer Gang ab, der zu mehreren Räumen führte. Die Tür eines geräumigeren Gemachs stand einen Spaltbreit offen, so daß Licht auf den Gang fiel. Die rostigen Türangeln kreischten, als Elise die Tür weiter aufschob. Angeekelt streifte sie die Spinnweben beiseite und betrat den Raum, dessen ganzer Boden mit einer dicken Staubschicht bedeckt war. Spinnweben verunzierten auch den Himmel eines an der Wand stehenden Bettes, das auf drei Seiten von kunstvoll geschnitzten Holzpaneelen umgeben war. Auf den rohen Planken des Betteinsatzes lagen die zerfledderten Überreste einer Matratze. Ein anderer Himmel schirmte eine große kreisrunde Kupferwanne ab, die in der Ecke zwischen Kamin und der Fensterwand stand. Der einstmals kostbare Vorhang bestand nur mehr aus langen vermoderten Fetzen. Reichgeschnitzte Schemel, Schränke, Armsessel und Truhen vervollständigten die Einrichtung, die, wenn auch total verstaubt und modrig, intakt war.
Elise vermutete, daß ihre schwer zugängliche Lage die Burg davor bewahrt hatte, ausgeplündert zu werden. Der Grund für ihren desolaten Zustand war jahrelange Vernachlässigung.
Zwei niedrige Stühle standen vor einem großen Kamin. An derselben Wand, gleich neben der Tür, bedeckte eine riesige Tapisserie die getäfelte Wand von der
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