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Tränen aus Gold

Tränen aus Gold

Titel: Tränen aus Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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hatte, meinte Elise trocken: »Wenn ich die Wahl habe, nehme ich die Kammer darunter. Vielleicht hat dein Herr eine Vorliebe für die frische Luft in diesen Breitengraden, ich nicht.«
    Fitch war sprachlos, als ihm plötzlich klar wurde, daß es keine anderen Möglichkeiten gab und daß Seine Lordschaft mit dieser Unterkunft höchst unzufrieden sein würde. Während Elise sich zum Gehen wandte, blieb er nachdenklich stehen und murmelte vor sich hin: »Ich und Spence, wir werden ganz schnell das Dach reparieren müssen.«
    Elises kühles Lächeln verriet weniger Besorgnis um das Wohl seines Herrn. »Andere Reparaturen sind viel dringender«, hielt sie ihm vor. »Da dein Herr nicht so bald zu erwarten ist, kann auch das Dach warten. Zuerst müssen wir an uns denken.«
    Widerstrebend folgte er ihr mißmutig hinunter, weil dieses zierliche Mädchen unmerklich die Führung des Hauses an sich gerissen hatte.
    »Wir beginnen mit Fegen und Schrubben. Hoffentlich schaffen wir einiges, ehe es finster wird.«
    Elises Mantel wirbelte Staub auf, als sie die Treppe hinunterlief, so schnell, daß Fitch mit ihr nur mühsam Schritt halten konnte. Als sie unvermittelt stehen blieb, rannte er sie fast über den Haufen.
    »Gibt es hier einen Brunnen?« fragte sie.
    »Ja, draußen im Hof. Und einen im Stall.«
    »Sehr gut. Um hier alles zu säubern, werden wir viel Wasser brauchen. Und noch eine Menge anderer Dinge, die du auftreiben mußt! Besen, Eimer, Seife, Lappen! Und fleißige Hände!« Elise lief an der Kammer vorüber, die sie sich selbst zugedacht hatte, und weiter die Treppe hinunter. »Unten habe ich einen Kessel gesehen…«
    Was Fitch und Spence vom Rest des Tages in Erinnerung blieb, war Arbeit, Arbeit und noch mal Arbeit!

7
    Als sie sich am Abend zurückzog, stand Elise am Rande der Erschöpfung und schaffte es kaum noch, sich zu ihrer Schlafkammer hinaufzuschleppen. In ihrem Bestreben, vor Einbruch der Dunkelheit möglichst viel zu bewältigen, war sie in fieberhafte Tätigkeit verfallen. Wenn sie aber an die gewaltige vor ihr liegende Aufgabe dachte, erschien ihr die an diesem Tag geleistete Arbeit nicht viel mehr als ein Kratzer auf einer Steinplatte. Im Moment war sie völlig erledigt, und als sie die Tür ihres Schlafgemachs hinter sich geschlossen hatte, fiel sie matt vor dem Kamin in die Knie und starrte wie betäubt in die Flammen. Tränen glänzten unter ihren dichten Wimpern, als sie nach langer Zeit wieder an ihren Vater dachte. Lag er im Kerker? Wurde er gefoltert? War er überhaupt noch am Leben?
    Sie schloß die Augen und ließ die Tränen ungehindert fließen. Aus den dunklen Tiefen ihrer Gedanken nahm das Bild ihres Vaters Gestalt an, wie er in einer dunklen Zelle auf und ab lief. Um Knöchel und Handgelenke trug er schwere Eisen, sein Gesicht war hager und abgezehrt, seine Kleidung zerlumpt und schmutzig. Seinen einst prächtigen Mantel hatte er als einzigen Schutz gegen die Kälte eng um die Schultern gezogen. Mit leeren Blicken starrte er die gegenüberliegende Wand an, während seine Lippen lautlos unverständliche Worte formten.
    Elise schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte herzzerreißend. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihren Vater befreit zu sehen und sich in der Geborgenheit seiner Arme sicher zu fühlen. Sie hatte es satt, herumgestoßen und erniedrigt zu werden. Sie sehnte sich nach einem leichteren Leben, erfüllt von Frohsinn, Tändelei und Tanz. Einmal im Leben wollte sie so tun, als wäre das Leben für sie geschaffen und die Welt läge ihr zu Füßen. Leider war alles ganz anders und würde auch niemals so sein, wie sie es sich erträumte!
    Langsam verebbte ihr Schluchzen; Elise nahm die Hände vom Gesicht, hob den Kopf und sah sich in dem ungewöhnlichen Raum um. Sie hatten den Boden geschrubbt, die Wände gesäubert und eine Stelle vor dem Kamin so zurechtgemacht, daß sie auf ein paar Fellen schlafen konnte. Dies hier war die Wirklichkeit, dieser kalte, schmutzige, kahle Ort voller dumpfer Gerüche, dazu die ständige Zugluft, die durch unzählige Spalten und Risse eindringen konnte. Wenn sie sich aber nur den Träumen von einer anderen Welt hingab, ohne ihr Los in dieser Welt zu bessern, würde sie auf ewig eine Gefangene bleiben. Wollte sie ein leichteres Leben, eines, das üppiger und sorgloser war, dann mußte sie hart dafür arbeiten.
    Am nächsten Morgen jedoch war es beim Anblick des unappetitlichen Frühstücks, bestehend aus hartem Brot, Pökelfleisch und zähem

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