Tränen aus Gold
Besucher reichte. »Hier!« sagte er, und sein Lachen klang gehetzt, »der Besitz war eine Last, seitdem ich ihn habe. Ich bin froh, ihn loszuwerden. Jetzt gehört alles Euch.«
Maxim griff nach dem Vertrag und überflog ihn; dann pustete er sanft den Sand vom Pergament, faltete es und steckte es in sein Wams. »Und was die Anzahlung auf das Stadthaus betrifft…«
»Die wird refundiert!« unterbrach ihn Hans Rubert hastig und schluckte schwer. »Ich habe das Haus meiner verwitweten und kränkelnden Schwester vermietet… natürlich erst, nachdem ich von Eurem Unglück hörte. Als ehrlicher Mensch könnte ich doch eine doppelte Miete nicht so einfach einstreichen.«
Maxim nickte beifällig, und Rubert holte hinter dem Pult einen eisenbeschlagenen Holzkasten hervor, entnahm Münzen und zählte sie in ein Säckchen ab. Nachdem Maxim eine Quittung unterschrieben hatte, schob ihm Rubert das Säckchen über den Tisch zu. »Herr Seymour, wie versprochen, volle Rückerstattung.« Er lächelte breit. »Sonst noch etwas?«
Maxim wog das Säckchen in der Hand und steckte es ein. Er legte seinen Umhang um die Schultern und zog die Handschuhe an. »Es ist ein reines Vergnügen, mit einem Mann ins Geschäft zu kommen, der um den Wert eines ehrlichen Handels weiß.«
Hans Rubert entschlüpfte ein langer Seufzer. Schließlich faßte er sich ein Herz und fragte: »Dann wird die Hanse nie…« Er schluckte schwer.
Maxim nickte ihm zu. »Nicht aus meinem Mund«, versprach er, war draußen wie der Wind und schloß hinter sich die Tür.
Rubert stieg wieder auf seinen Hocker und blätterte bekümmert ein paar Seiten in seinem Hauptbuch zurück, um einige Korrekturen anzubringen. Mit einem tiefen Seufzer klappte er das Buch zu. Heute war er nur um Haaresbreite davongekommen. Sein Verstand und seine Ehrlichkeit hatten ihn gerettet, wenn auch ärmer gemacht.
Maxim überquerte eine mit Schneematsch bedeckte Straße und kehrte in ein Wirtshaus ein. Er hatte kaum den nassen Schnee von seinem Umhang abgeschüttelt, als aus einer Ecke der verräucherten Gaststube eine Stimme rief: »He, Maxim!«
Seymour fuhr sich mit dem Handrücken über die brennenden Augen und spähte durch den Rauch. Nikolaus von Reijn saß vor einem reichlich gedeckten Tisch und huldigte seiner zweiten großen Leidenschaft. Maxim winkte ihm zu, ehe er seinen Umhang über zwei Wandhaken zum Trocknen breitete. Dann streifte er die Handschuhe ab, ging an den Tisch von Reijns und ließ sich auf einem Stuhl dem Kapitän gegenüber nieder.
»Glühwein, mein Fräulein«, bestellte er, als ein schwitzendes junges Mädchen mit tief ausgeschnittener Bluse an den Tisch trat. Auf den Hinterbeinen des Stuhles balancierend, setzte er hinzu: »Einen ganzen Krug, sehr heiß, wenn ich bitten darf.«
»Sehr wohl, mein Herr.« Das Mädchen knickste andeutungsweise und verschwand.
Nikolaus von Reijn, der sich eben an einer gutgewürzten Hammelkeule ergötzte, beobachtete sein Gegenüber, ohne im Kauen innezuhalten. Allem Augenschein nach hatte sein Freund Sorgen, da er in Gedanken versunken dasaß und wie abwesend seinen Blick durch die Stube wandern ließ.
Der Kapitän spürte sofort, daß sein Freund sich aussprechen mußte. Zudem war seine Neugierde geweckt. Er legte den abgenagten Knochen beiseite, schob den Teller von sich und wischte sich den Mund mit einer großen Leinenserviette ab.
In diesem Moment stellte die Kellnerin dem Marquis einen dampfenden Humpen Glühwein hin. Der Duft von Honig und Gewürzen stieg ihm angenehm in die Nase, und schon der erste Schluck erfüllte ihn mit angenehmer Wärme.
»Draußen ist es scheußlich, nicht?« setzte von Reijn an. »Ein denkbar ungeeigneter Tag für einen langen Ritt.«
Ein nichts sagendes Brummen kam über Maxims Lippen. Er wärmte die Hände an dem Krug und ließ den Blick von neuem durch die Wirtsstube wandern.
»Die alte Burg muß bei diesem Wetter kalt und unwirtlich sein«, bohrte Nikolaus weiter, »vielleicht sind die beheizten Räume einigermaßen…« Er ließ das letzte Wort in der Luft hängen, aber Maxim reagierte nicht und beschränkte sich auf ein Nicken, während er wieder einen Schluck trank.
Nikolaus von Reijn, Seefahrer und Kaufmann, sieben Sprachen und aller Sitten und Gebräuche kundig, die zur erfolgreichen Abwicklung von Geschäften vonnöten waren, mußte seine ganze Geschicklichkeit aufbieten, um seinen geistesabwesenden Freund aus der Reserve zu locken. »Das Mädchen ist doch sicher sehr anmutig,
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