Tränen aus Gold
müßt mich nicht festhalten.«
»Ich halte mich für einen Gentleman…«
»Diese Meinung kann ich nicht teilen.«
»…für einen Gentleman, dem das Wohlergehen edler Damen am Herzen liegt.«
»Wie Ihr bewiesen habt, indem Ihr mich entführen ließet?«
»Ein fehlgeschlagener Versuch, um die Heirat eines Edelfräuleins mit einem adeligen Schurken zu verhindern.«
»Ihr könnt mich jederzeit gehen lassen«, beharrte Elise.
»Kann ich eben nicht!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wieso seid Ihr so halsstarrig?«
»Dann befinden wir uns im Kriegszustand«, erwiderte sie eisig.
»Elise…«, versuchte es Maxim nun in sanftem Ton, »die Elbe wird bald ganz zufrieren, und die Nordsee ist im Winter besonders tückisch. Denkt an Eure Sicherheit. Auch die erfahrensten Seeleute warten günstigere Witterungsbedingungen ab.«
»Könnte man nicht über Land bis Calais fahren? Von dort finde ich vielleicht eine Gelegenheit, nach England zu kommen.«
»Das wäre eine lange und gefährliche Reise über Land. Ich kann Euch nicht begleiten und erlaube auch nicht, daß ein anderer es tut.«
»Wie freundlich von Euch, Taylor.« Süffisant legte sie besonderen Nachdruck auf seinen Vornamen.
Ein heruntergefallener Scheit ließ einen Funkenregen aufsprühen, und Maxim stand auf, um nachzulegen. Prüfend sah Elise ihm nach. Obschon dezent gekleidet, wirkte er ausgesprochen männlich. Die Ärmel seines dunkelgrünen Samtwamses und die gebauschte Hose wiesen Schlitze auf, deren Kanten mit Seide eingefasst waren. Die steife weiße Hemdkrause ragte hoch über dem Hals auf. Ähnliche weiße Krausen waren an den Manschetten des Wamses, das seine breiten Schultern hervorhob und sich eng um die schmale Taille schmiegte. Die hohen Stiefel, die er über dunklen Strümpfen trug, ließen die Muskeln seiner Beine ahnen.
Elise kam sich plötzlich ganz klein und schwächlich neben ihm vor. Ihr ausgefranster Kittel ließ sie unvorteilhaft aussehen, und dieses Unbehagen verletzte ihren Stolz, als er sie musterte. Sie konnte sich gut vorstellen, welchen Anblick sie in dieser Aufmachung abgab. Wütend schnellte sie von ihrem Sitz hoch.
»Ihr steht hier wie der große Herr dieser Ruine, während ich diesen jämmerlichen Fetzen tragen muß, und behauptet, daß Ihr mich nicht nach Hause schicken könnt. Euch bedeuten die Gefühle einer Lady soviel wie das Stück Holz, das Ihr eben ins Feuer geworfen habt.«
»Sicher wisst Ihr, daß man mich in England steckbrieflich sucht«, erwiderte Maxim, »sollte ich jetzt zurückkehren, dann lande ich unverzüglich auf dem Schafott.«
»So, wie Ihr es verdient«, bestätigte Elise.
Maxim erhob sich von seinem Sitz und durchschritt die Halle wie ein böser Riese aus einer alten Sage. Fitch und Spence hatten sich den denkbar ungünstigsten Augenblick für ihr Erscheinen ausgesucht, doch als sie Seiner Lordschaft gegenüberstanden, erschraken sie sichtlich beim Anblick seiner Übellaunigkeit.
»Ich muß nach Hamburg«, eröffnete er ihnen. »Aber wenn ihr beide während meiner Abwesenheit schon sonst nichts Nützliches tut, dann kümmert euch um das Mädchen, und bringt die Tür zu meiner Kammer in Ordnung, wenn euch euer Leben lieb ist«, murrte er, »damit ich meine Ruhe vor den Anfällen dieser Wahnsinnigen habe!« Dabei deutete er mit dem Daumen über die Schulter.
»Und jetzt zu Euch!« Er drehte sich abrupt zu Elise um. »Es wäre angebracht, wenn Ihr diesen Taugenichtsen an die Hand geht und Euch ebenfalls nützlich macht. Wir alle haben etwas davon, wenn hier etwas getan wird.«
Er wandte sich zum Gehen. Elise aber hielt ihn mit anmutig erhobener Hand auf. »Mylord, das geht nicht, denn ich bin eine Gefangene, die sich auf ihr Gemach beschränken und nicht hinauswagen soll, damit meinen Bewachern peinliche Situationen erspart werden. Aber es wäre ratsam, wenn Ihr aus der Stadt wenigstens einen Koch mitbringen würdet und ein oder zwei Mädchen zum Putzen und Fegen. Ich fürchte, Eure zwei Gefolgsleute sind nicht fähig, ihren Haushaltspflichten auch nur annähernd nachzukommen.«
Wortlos drehte sich Maxim um, nahm seinen Umhang und schlug wütend das Portal hinter sich zu. Die Tür brach aus den Angeln und ließ eine dichte Staubwolke aufwirbeln, als sie krachend zu Boden fiel. Maxim fluchte vor sich hin und lief weiter zum Stall; wenig später, als er im Sattel seines schwarzen Hengstes über den Hof sprengte, kämpften seine zwei Getreuen noch immer mit der Tür, die es wieder
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