Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
Sarong.
Alarmiert blickte er sie an.
»Malee, was ist passiert?« Sie blickte ihn verwirrt und wie in Trance an. »Dort
drüben …« Zitternd wies sie mit der Hand auf die Inselseite, dorthin, wo immer
noch alles von blauem Polizeilicht erleuchtet war. »Dort drüben steht alles vor
dem Zusammenbruch … Sie hat sich wieder ihre Opfer geholt … Der Fluch ist
zurückgekehrt.«
Ihre Stimme geriet ins Stocken
und ihr Blick schwamm ins Leere. Michael griff ihren Arm und zog sie in das
Wohnzimmer. Dort dirigierte er sie auf das Sofa, zog einen Stuhl heran und
setzte sich ihr gegenüber.
»Malee! Wenn ich Ihnen helfen
soll, dann müssen Sie mir alles erzählen. Was ist dort drüben passiert?«
Sie schien ihn gar nicht zu
beachten. Ihr Atem ging flach und stoßweise. In dem Schweigen, das jetzt
einsetzte, trat Amy in das Wohnzimmer und setzte sich neben sie.
»Malee, ich bin es. Bitte sagen
Sie uns, wie wir Ihnen helfen können«, bat sie.
Beim Klang ihrer Stimme erwachte
Malee aus ihrem tranceähnlichen Zustand und wandte sich ihr zu.
»Hinter der Hotelanlange, am
Eingang zum Palmenhain …« Mit zitternden Fingern wies sie in die angegebene
Richtung. »Da liegt unserer Angestelltentrakt. Dort wohnte auch Somchai mit
seiner kleinen Familie.«
Ein Weinkrampf schüttelte ihren
Körper. Michael konzentrierte sich auf ihre Gedanken und dann tauchte eine
Vision vor ihm auf und er konnte die Bilder der Tragödie körperlich fühlen.
Angespannt beugte er sich zu ihr. »Wohnte … Was ist mit ihm geschehen?«, fragte
er sanft.
»Seit Jahrhunderten liegt ein
Fluch auf dieser Insel. Lange Zeit blieben wir verschont, aber jetzt hat das
Grauen wieder zugeschlagen und hat sich ein neues Opfer geholt - zwei, um genau
zu sein …«
Ihre Stimme brach und ein
gepeinigter Laut kam über ihre Lippen. Amy nahm sie behutsam in die Arme,
streichelte sie beruhigend und wiegte sie sanft hin und her.
Michael blickte sie an und
wartete schweigend, bis Malee ihre Fassung zurückgewann. Nach endlosen Minuten
war sie wieder in der Lage weiterzusprechen.
»Somchai, ein Angestellter
unseres Hotels, ist ermordet worden. Seine Frau wurde gefesselt und sie musste
hilflos zusehen, wie ihr Mann erst gefoltert und dann wie ein Stück Vieh getötet
wurde. Zum Schluss haben sie ihre erst vor drei Tagen geborene Tochter aus der
Wiege entführt.«
Amys Augen glitten entsetzt zu
Michael.
»Was sagt die Polizei dazu?«
»Offiziell denken sie, dass es
ein Ritualmord und ein Racheakt war. Denn vor einigen Monaten haben drei
Familien gleichzeitig am selben Tag Anzeige bei der Polizei gegen Somchai
erstattet. Sie beschuldigten ihn, ihren Töchtern die Unschuld geraubt zu haben.
Alle Väter bestanden auf einer sofortigen Hochzeit. Aber ich bin mir absolut
sicher, dass er diese Mädchen nicht entjungfert hat. Somchai war ein guter
Mensch und sehr stolz auf seine jetzige Frau und seine neugeborene Tochter. Seit
fünf Jahren arbeitete er schon für mich im Hotel. Und ich bin bereit, meine Hand
für ihn ins Feuer zu legen. Er war ein tiefgläubiger Mensch und niemals in der
Lage, einem Mädchen die Jungfräulichkeit und damit seine gesamte Zukunft zu
rauben.«
Michael hatte ihr aufmerksam
zugehört und ihm war ein kleines Detail ihrer Aussage nicht entgangen. Nach
einem kurzen Blick zu Amy wandte er sich an Malee.
»Warum lag ihre Betonung eben bei
offiziell?«
Sie zögerte einen Moment, bevor
sie antwortete.
»Inoffiziell glaubt auch die
Polizei, dass der Fluch von Neuem die Insel heimgesucht hat. Die Nixe ist wieder
zum Leben erwacht. Sie hat Somchai getötet und das Baby an sich genommen.«
Für einen kurzen Moment schien
die Zeit stillzustehen. Nur von dem Ticken der Standuhr unterbrochen und
begleitet von dem angehaltenen Atem der drei Menschen im Raum.
»Erzählen Sie mir von dem Fluch«,
bat Amy.
»Ich versuche es. Bei uns im
Buddhismus ist der Glaube an Wassergeister weit verbreitet. Es ist nicht der
erste Mord dieser Art. Auf Koh Lanta sind schon viele Babys entführt worden und
spurlos verschwunden. Der Fluch begann irgendwann im 17. Jahrhundert. Damals
starb eine junge, schwangere Frau und mit ihr das ungeborene Kind. Und seitdem
irrt sie als Wassergeist auf der Insel herum und holt sich in unregelmäßigen
Abständen fremde Babys. Manchmal vergehen mehrere Jahre, bevor sie wieder
zuschlägt. Aber irgendetwas hat sich seit Kurzem verändert.«
»Was ist das?«, hakte Amy nach
und
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