Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
begegnete Malees panischem Blick.
»In all den Jahrhunderten hat sie
immer nur Neugeborene entführt. Doch vor ungefähr zwei Jahren fing es an, dass
die Väter der Neugeborenen auf bestialische Weise ermordet und erst danach die
Babys entführt wurden. Somchai ist jetzt das dritte Opfer in diesem Jahr.
Irgendetwas hat sich geändert. Und ich habe Angst, dass es noch schlimmer wird.
Darum flehe ich Sie an, uns zu helfen.«
Nervös räusperte sie sich und
durch einen Tränenschleier sah sie zaghaft zu Michael hinüber.
»Sie werden das sicherlich nur
schwer begreifen können. Viele Fremde - in unserer Sprache heißen sie Farangs -
verstehen unseren buddhistischen Glauben nicht.«
Michael strich sich die noch
nassen Haare aus dem Gesicht und betrachtete Malee nachdenklich.
»Im Gegenteil. Wir verstehen es
sogar sehr gut. Wir möchten Ihnen auch gerne helfen, Malee. Aber ich fürchte, in
die Polizeiarbeit können und dürfen wir uns nicht einmischen. Wir sind nur
Touristen und, wie Sie selbst sagten, Farangs auf dieser Insel.«
Nachdenklich sah er sie an.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Woher dieser Gedanke kam, wusste er nicht, doch
er war plötzlich da und beunruhigte ihn.
Das Geschehene war eine
entsetzliche Tragödie und sie besaß sein ganzes Mitgefühl. Aber warum fragte
Malee ausgerechnet ihn um Hilfe? Er hoffte, dass Malee seine Absage verstand und
sich danach verabschieden würde. Beunruhigt stand er auf und ging durch das
Wohnzimmer, als er hinter sich Amys mitfühlende Stimme vernahm.
»Wie können wir Ihnen
helfen?«
Entsetzt drehte er sich um und
schüttelte protestierend den Kopf, doch Amy nickte ihm beschwörend zu und so
setzte er sich ergeben wieder auf den Stuhl. Malee sah ihm jetzt ruhig und
direkt in die Augen.
»Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind
Geisterkrieger.«
Michael verharrte mitten in
seinen Bewegungen. »Was?« Fieberhaft überlegte er, wodurch sie sich verraten
hatten. Amy war genauso geschockt und blickte alarmiert zu Michael. Äußerlich
wirkte sein Gesicht völlig ausdruckslos, aber Amy erkannte an seinen arbeitenden
Wangenknochen, dass er über diese neue Wendung zutiefst beunruhigt war.
»Wie kommen Sie auf diese
Vermutung?«, fragte er angespannt.
»Nahla, unsere Hohepriesterin,
hat es mir anvertraut. Und keine Sorge, sonst weiß es niemand«, beruhigte sie
Michael. »Nahla ist die Hohepriesterin des Kristallordens auf Ko Lanta. Sie hat
Ihre Ankunft auf unserer Insel vorhergesehen und durch die starke Aura gefühlt,
dass ihr Clan über mächtige und mystische Kräfte verfügt. Sie hat gefühlt, dass
nur Sie in der Lage sind, unsere Insel von dem Fluch zu befreien. Darum bin ich
zu Ihnen gekommen. Sie müssen die Nixe finden und unschädlich machen. Nur so
werden die entführten und toten Seelen ihre Ruhe finden. Helfen Sie uns dabei,
bitte …«, flüsterte sie und sah Michael dabei hoffnungsvoll an.
Alles in ihm sträubte sich
dagegen. Verzweifelt versuchte er Amys bittendem Blick auszuweichen und ihr
stumm, auf mentaler Ebene, seinen Standpunkt klarzumachen.
»Amy, bitte nicht! Wie kennen uns
auf diesem Terrain der Wassergeister überhaupt nicht aus, wir können ihr dabei
nicht helfen.«
Er merkte, wie ihre smaragdgrünen
Augen versuchten ihn zu umgarnen.
»Lass es uns probieren, wir sind
verpflichtet, es zumindest zu probieren.«
»Aber es sind unsere
Flitterwochen«, schrie er ihr auf ihrer geistigen Ebene erstickt zu. Über Amys
Gesicht glitt ein liebevolles Lächeln und ihr Blick verschmolz mit dem seinen,
bevor sie ihm antwortete.
»Wir haben doch noch unser ganzes
Leben, Michael. Aber diese Menschen brauchen jetzt unsere Hilfe. Lass es uns
wenigstens versuchen … Bitte …«
In dem Schweigen, das lange
andauerte, saß Malee abwartend neben ihnen und sah ängstlich von einem zum
anderen. Sie verstand nichts von dem, was sich zwischen den beiden abspielte.
Trotzdem verhielt sie sich mucksmäuschenstill. Instinktiv spürte sie, dass diese
Minuten entscheidend für das weitere Schicksal von Koh Lanta sein würden. In
Michaels Kopf arbeitete es.
Er war tief in Gedanken versunken
und wägte alles gegeneinander ab. Dann schien er zu einem Entschluss gekommen zu
sein.
»Also gut. Wir versuchen es. Aber
ich garantiere nicht, dass wir das Rätsel lösen werden … Und alleine schon gar
nicht. Wir brauchen Verstärkung«, murmelte er leise vor sich hin und erhob
sich.
Nein, so hatte er sich ihre
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