Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
ihm eine schriftliche
Nachricht. Zum zweiten Mal an diesem Tag riss er einen Brief auf und las die
Nachricht.
Ich besuche die
Familie des zweiten Mädchens.
Wenn Sie Lust
haben, kommen Sie mit.
16.30 Uhr am Pier
Saladan.
Nahla
Merde, fluchte er im Stillen.
Warum zitterten seine Hände so, wenn er nur an sie dachte. Diese Frau hatte
etwas an sich, was ihn komplett aus seinem Konzept brachte.
Land des Lächelns
E in kleiner Schweißfilm
bildete sich in seinem Nacken. Sébastien strich sich über die Stirn. Dann
fischte er ein Lederband aus seiner khakifarbenen Cargohose und band sein
halblanges Haar zusammen. Dabei warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. 16.15.
Seufzend verschränkte er seine
Arme vor der Brust. Abwartend lehnte er sich wieder gegen den verbeulten blauen
Laster und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Viele Erfahrungen hatte
er nicht mit normalen Frauen. Doch von den Treffen mit den Prostituierten, die
er sich ab und zu in sein Penthouse bestellte, um seine Sehnsucht nach Nähe zu
befriedigen, wusste er, dass Frauen selten pünktlich waren.
Er stand an der Einfahrt zum
Pier.
Da Nahla nur Hafen geschrieben,
aber keinen genauen Punkt genannt hatte, war er etwas verunsichert. Doch von
hier aus hatte er die staubige Hauptstraße genau im Blick und würde sie so
kommen sehen. Gelangweilt sah er dem lebhaften Treiben auf der Pierstraße zu.
Unvermittelt stieg ihm kurz darauf der köstliche Geruch gebratener Satéspieße in
Erdnussbutter in die Nase.
Sein Magen begann zu knurren.
Doch gerade als er sich entschlossen hatte zu der Garküche hinüberzugehen, hörte
er hinter sich ihre Stimme.
»Sawaddie, Sébastien!«
Erschrocken drehte er sich um und
starrte sie sprachlos an. Nahla stand hinter dem Laster. Jetzt kam sie langsam
auf ihn zu, warf ihm einen belustigten Blick zu und lächelte ihn an.
»Hallo, was ist los? Ich bin
pünktlich.«
Das war sie in der Tat.
»Ja …«, stotterte Sébastien und
versuchte seinen schnellen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Die
Überraschung war ihr gelungen. Touché. Die ganze Zeit hatte er nach ihrer
schlanken, in einen bunten Sarong gekleideten Frau Ausschau gehalten. Jetzt
hatte sie es wieder einmal geschafft, ihn zu überraschen.
Bewundernd glitt sein Blick über
ihre schlanke Gestalt, die in einer ausgewaschenen Jeans und ein enganliegendes
rosa Poloshirt gekleidet war. Zum allerersten Mal sah er sie mit offenen Haaren,
die jetzt in der warmen Hafenluft hin und her wehten. In dieser westlichen
Kleidung sah sie beinahe noch schöner und aus als in ihren Sarongs.
Unruhig glitt sein Blick
herunter. Ihre zierlichen Füße steckten in weißen Riemchensandalen. Und ihre
lackierten Fußnägel hatten denselben mauvefarbenen Ton wie die bezaubernden
Ornamente in ihrem Gesicht, bemerkte er erstaunt.
Er hatte schon immer die Ästhetik
der Farben geliebt und in seinem jahrhundertelangen Leben ein Gespür dafür
entwickelt. Verdammt. Er fühlte, wie er auf sie reagierte und atmete schwer.
Nahla löste sich aus seinem undurchsichtigen Blick und trat auf ihn zu. Leicht
legte sie eine Hand auf seinen Arm.
»Was ist los mit dir? Warum
guckst du mich so komisch an. Du wolltest doch, dass wir zusammenarbeiten.
Bereust du es schon wieder?«
»Nein, nein. Nahla, es tut mir
leid«, stieß er hervor und nahm ihre Hand. Ein Stromschlag ging durch seinen
Körper und er zuckte zusammen.
Verdammt, geh weg von mir … Du
machst mich wahnsinnig …
Doch laut sagte er: »Es tut mir
leid, ich habe dich so nicht erwartet. Natürlich will ich, dass wir
zusammenarbeiten. Von wo bist du eigentlich gekommen?«, fragte er neugierig, um
seine Erregung zu überspielen. Lachend drehte sie sich um und zeigte auf das
kleine Taxiboot am Anleger. Daran hatte er natürlich nicht gedacht. »Okay, Miou,
dann erzähl mir mal, was du vorhast?«
Sie blieb stehen. »Miou? Warum
nennst du mich so?«
»Weil du irgendwie wie ein
kleines zierliches Kätzchen aussiehst«, neckte er.
Ironisch sah sie ihn an und war
sich sehr wohl bewusst, dass sie neben seiner hünenhaften Footballergestalt noch
kleiner als sonst wirkte.
»Lass dich nicht von
Äußerlichkeiten blenden. Das täuscht, glaub mir, Neandertaler. Ich bin stärker,
als du denkst. Und jetzt komm endlich. Ich erzähle dir unterwegs, was ich
herausgefunden habe.«
Nahla ging vor und Sébastien
folgte ihr. Sie war nicht auf den Mund gefallen, bot
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