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Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)

Titel: Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianca Balcaen
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haben sie im Rausch etwas getan, woran sie sich am Tage nicht mehr erinnern«,
mutmaßte sie.
    »Hm, schon möglich«, erwiderte er
einsilbig und begann gedankenverloren eine Strähne ihres seidigen Haares um
seinen Finger zu wickeln. Er zögerte einen Moment, bevor er weitersprach:
    »Ich denke nicht, dass Drogen
alleine so einen Akt der Erniedrigung auslösen können. Wenn der Junge
tatsächlich unter Drogeneinfluss die drei Mädchen vergewaltigt hat, dann muss er
schon vorher abartige Neigungen gehabt haben. Und dann hoffe ich, dass ihm die
Eier abgeschnitten werden und er bei lebendigem Leib verbrannt wird. Kein Mann
hat das Recht, die Ehre einer Jungfrau zu beschmutzen und sie so dem Leben zu
berauben.«
    Von seinem Gefühlsausbruch
komplett verblüfft, starrte Nahla ihn mit offenem Mund an. Diesen Teil von ihm
kannte sie noch nicht. Sébastien zog sie unbewusst noch fester an sich. Er
wollte ihre Nähe und die Wärme ihrer Haut spüren. Denn bei ihrer Erzählung hatte
er unweigerlich an seine frühere Ehefrau Amaru denken müssen.
    Er hatte ihre Jungfräulichkeit
all die langen Jahre akzeptiert und gewartet, bis sie selber bereit war, sich
ihm zu schenken. So wie es jeder Mann machen sollte. Die Ehre eines Mädchens war
das Heiligste, was es gab. Nur sie alleine bestimmte den Zeitpunkt und erwählte
den Mann, der sie zur Frau machte und dann ein Leben lang mit ihm verbunden war.
    Das war ein ungeschriebenes
Gesetz. Sébastien war dazu bereit gewesen. Amaru nicht. Seufzend kam er wieder
in die Wirklichkeit zurück und bemerkte Nahlas schmerzverzerrten Blick. »He, was
ist los«, fragte er erstaunt.
    »Nichts«, log sie tapfer. »Aber
wenn du meine Rippen nicht ganz so pressen würdest, kann ich, glaube ich, besser
atmen.«
    Erschrocken löste er seine
klammerartige Umarmung und strich ihr entschuldigend mit dem Finger über die
Wange.
    »Tut mir leid. Wenn ich in
Gedanken bin, vergesse ich oft meine Kräfte.«
    »Schon gut.« Sie lachte und ihr
Sinn für Komik gewann wieder die Oberhand. »Sag mir das nächste Mal einfach
Bescheid, wenn du deine nachdenkliche Phase hast. Dann kann ich rechtzeitig in
Deckung gehen«, schlug sie vor.
    Unterdessen hatte sie den
Waldrand erreicht. Nahla befreite sich aus seiner Umarmung und ging auf Abstand.
Sébastien sah sie verwundert an.
    »Wir sind gleich da. Hinter der
nächsten Biegung liegt das Dorf Bang Sang Ga U. Das hier ist die einheimische
Seite der Insel. Hier leben strenggläubige Muslime und Buddhisten. Umarmungen
und Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit sind hier verboten …«, fügte sie
entschuldigend hinzu.
    Er hatte es, auch wenn er es
nicht zugeben wollte, gemocht, sie in seinen starken und beschützenden Armen zu
halten. Und auch sie hatte es genossen, das spürte er. Doch jetzt schlüpfte er
wieder hinter seine vertraute Maske des Unnahbaren und achtete ab jetzt peinlich
genau darauf, auf Abstand zu ihrem verführerischen Körper zu bleiben.
    Von ihnen beiden ungesehen, hielt
ein Motorrad auf der anderen Seite des Dorfes. Als der Fahrer den blauen Helm
abnahm und den schlaksigen Jungen, der vor dem Haus wartete, sah, schüttelte er
unmerklich mit dem Kopf. Fluchend drehte dieser sich um und verschwand hinter
einem orangen Perlenvorhang.
     
    ****
     
    Sie ließen die Mangrovenwälder
hinter sich und traten aus dem Schatten des Waldes heraus. Sébastien sah sich
staunend in der kleinen Fischersiedlung um. Er fühlte sich wie in eine andere
Welt versetzt. Das Dorf bestand aus etwa zwanzig kleinen, heruntergekommenen
Hütten. Unter einem überdachten Unterstand eines Gemüsestandes hockte eine alte
Frau und zog in aller Seelenruhe an ihrer Opium-Pfeife.
    Auf dem lehmigen Weg standen
riesige Kochtöpfe für die anscheinend gemeinsamen Mahlzeiten. Im Schatten, unter
der Wohnetage der Pfahlhäuser, suhlten sich träge Schweine im Schlamm. Zwischen
knatternden Motorrädern liefen empört gackernde Hühner. Mittendrin, scheinbar
vollkommen unbeteiligt von dem Lärmpegel, standen einige alte Männer in lebhafte
Gespräche vertieft.
    Nahla ging vor und Sébastien
folgte ihr in einigen Schritten Abstand. Eine besonders große Hütte erregte
seine Aufmerksamkeit. Es war offenbar der Gemeinschaftsraum. Eine Handvoll
Dorfbewohner hockte versammelt vor einem Altar, auf dem - zu Sébastiens
grenzenloser Überraschung - ein Farbfernseher thronte.
    Der Wandel des Fortschritts
schien auch in dieser ärmlichen Umgebung

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