Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
soll das?«,
fragte er mit schneidender Stimme, jedoch so leise, dass die anderen es nicht
hören konnten. Ihm war nicht daran gelegen, sie bloßzustellen. Aber ihre
klammernde Art ging ihm mehr als auf die Nerven und er konnte sich kaum noch
beherrschen.
»Hör zu, Calda. Ich dachte, dass
ich mich klar ausgedrückt hätte. Ich habe dir niemals Hoffnungen gemacht, dass
das mit uns was wird. Und es wäre mir eine Ehre, wenn du das endlich kapieren
würdest. Warum hältst du dich nicht an Jai. Der ist genau so heiß wie du.«
Verärgert nahm er ihren
schmollenden Wimpernaufschlag wahr, der ihren klimpernden, goldenen Armreifen an
ihrem Handgelenk in nichts nachstand.
»Was das soll?« Ihm die Stirn
bietend wurde jetzt auch sie wütend. »Sébastien. Es gab einmal eine Zeit, in der
du meinem Körper nicht abgeneigt warst. Doch auf einmal kommt eine indische Hexe
daher und du bist so liebestrunken, dass es schon peinlich ist.«
Sébastiens Stimme war
rasiermesserscharf, als er hart ihren Arm packte und sie zu sich heranzog. Sie
zuckte bei seinen kalten Worten zusammen.
»Das ist reines Wunschdenken und
existiert nur in deiner Fantasie, Calda. Ich möchte, dass du mir jetzt gut
zuhörst, denn ich werde meine Worte nicht noch einmal wiederholen. In meinem
Leben existiert das Wort Liebe nicht mehr. Und ich werde weder dir, noch einer
Hexe, noch irgendeinem weiblichen Wesen erlauben, auch nur in die Nähe meines
Herzens zu kommen, kapiert?«
Aufgebracht ließ er ihren Arm los
und schritt mit schnellen Schritten die jetzt fast menschenleere Gasse ab. Er
atmete schwer. Wann würde dieses mannstolle Wein endlich verstehen, dass sein
Herz tot war. Und er arbeitete hart daran, dass dies auch so blieb.
Aufgewühlt ging er durch die
Gassen, keinen Blick für die etlichen Verkaufsstände, die Losverkäufer, die
unzähligen Gaukler, die ausgestellten Waren und die betörend aussehenden
Schönheitsköniginnen, die in traditionellen Kostümen verlockende Tänze
aufführten.
Nach einiger Zeit blieb er neben
einer der zahlreichen Garküchen in der Marktmitte stehen. Die Hände in den
Hosentaschen seiner Cargohose geballt und mit einem finsteren Gesichtsausdruck.
Jai war ihm unauffällig gefolgt. Nun bahnte er sich einen Weg durch die
lärmenden Warteschlangen.
An der Theke bestellte er zwei
Thaibiere. Stumm reichte er eine Flasche an seinen Freund weiter. Sébastien war
für seine schweigsame Anwesenheit dankbar. Nachdenklich blickte er auf das bunte
und lebhafte Treiben um sich herum – und dann sah er sie.
Sie ging mit dem Rücken zu ihm
mit anmutigen Bewegungen auf einen kleinen Tempel zu. Doch er brauchte ihr
Gesicht nicht sehen. Er hätte ihre Aura unter Millionen von Menschen
wiedererkannt. Ohne ein Wort zu sagen, drückte er dem erstaunten Jai seine
Bierflasche in die Hand und bahnte sich einen Weg durch die ausgelassene und
fröhliche Menschenmenge.
Am Eingang zu dem What blieb er
unschlüssig stehen. Noch nie hatte er sie im Tempel beten gesehen. Eine seltsame
Scheu ergriff von ihm Besitz. Mit geschlossenen Augen kniete Nahla in einer
anmutigen Haltung vor einer übergroßen Buddhastatue auf dem staubigen Boden. Wie
unter einem Zwang ging er auf ihre Gestalt zu.
Als sein Schatten ihr Gesicht
streifte, sah sie erstaunt hoch. Dann erkannte sie ihn und ein erfreutes Lächeln
erschien auf ihrem Gesicht. Eilig stand sie auf und strich sich verlegen übers
Haar. »Hallo. Ich wusste nicht, dass du heute Nacht hier bist.«
»Ich … Malee hat uns eingeladen.
Wir sind alle hier.« Sébastien konnte seine Augen nicht abwenden. Wie gebannt
blickte er auf ihre Gestalt. Nahla war so wunderschön in ihrem Sarong, der sie
wie fließende, goldschimmernde Seide umgab und ihre verführerischen Rundungen
zart betonte.
Heute trug sie ihre Haare zu
einem raffinierten Zopf geflochten, der sich über ihre rechte Brust bis zur
Taille schlang. Verlegen spielte Nahla mit den Schnüren ihrer roten Schärpe.
Schließlich fasste sie sich ein Herz und ergriff seltsam scheu seine Hand.
Als ihre schlanken Finger sich
mit seinen verschlangen, spürte Sébastien, wie etwas lange Schlafendes in seinem
Inneren erwachte. Er versuchte verzweifelt das verräterische Zittern seines
Körpers zu überspielen und versteckte sich schnell hinter der ausdruckslosen
Maske seiner Gesichtszüge. Mit unaufhaltsamer Geschwindigkeit entstanden neue
Risse in seinem erkalteten Schutzschild.
»Wenn du
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