Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
bevor er seine Spekulationen weiter ausführte.
»Von Calda weiß ich, dass sie den
Thaijungen –. Wie heißt er noch …?« Er warf einen Blick in die Akte. »Ach ja,
dass sie Paitoon, im Verdacht hat.«
Milton stöhnte auf. »Tatsächlich
muss ich gestehen, dass ich noch zu keinem Schluss gekommen bin. Diese Morde
sind mehr als ungewöhnlich und zum ersten Mal bin ich sehr verwirrt«, gestand er
ein. »Bis jetzt sind noch immer alle drei Familien verdächtig. Und die Nixe ist
auch immer noch im Rennen. Obwohl außer Jai und dir noch kein anderer, mal
abgesehen von den Einheimischen, sie gesehen hat.«
»Oh bitte, Milton! Ich habe weder
eine Vila noch einen anderen Wassergeist gesehen. Das waren mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nur durcheinandergewühlte, gelbliche Algen«,
stöhnte Sébastien mürrisch auf.
»Wirklich?« Milton bedachte ihn
mit einem durchdringenden Blick. »Wer ist dann deiner Meinung nach der
Mörder?«
Sébastien antwortete nicht. Sein
Blick schweifte in die Ferne, als suche er die Antwort in den Wolken. Seine
Zweifel wurden immer stärker und er bereute zutiefst, dass er überhaupt auf
diese verdammte Insel gekommen war. Er verlor langsam die Kontrolle über seine
eigenen Gefühle und das machte ihm am meisten Angst.
»Sawadee, störe ich?« Malee stand
mit einem Mal wie ein Schatten am unteren Ende der Strandterrasse und lächelte
schüchtern. »Nein«, rief Milton und winkte sie hoch. »Sie stören überhaupt
nicht.« Zögernd kam sie die Treppe hoch. »Haben Sie schon Neuigkeiten aus
Bangkok?«
»Nein, Michael sagt, ohne Geld
geht da gar nichts«, informierte Milton sie.
»Lan-dja!« Malee stieß sich mit
der flachen Hand gegen ihren Kopf. »Natürlich.«
Verwirrte Köpfe ruckten in ihre
Richtung, bis Milton vorsichtig fragte: »Was meinen Sie damit, Malee? Wir können
Ihnen, ehrlich gesagt, nicht so ganz folgen.«
Sie stöhnte bedauernd auf.
»Lan-dja, so heißt in unserer Sprache das Bestechungsgeld. Ich hätte Michael
darüber informieren sollen. Gerade in der Hierarchie der oberen Gesetzeshüter
ist es in Thailand gang und gäbe. Ohne Lan-dja kommt man nie zu schnellen
Informationen.«
»Aha. Und je höher das Lan-dja
ausfällt, desto schneller kommt man wahrscheinlich an die gewünschten
Informationen oder in unserem Fall an die richtigen Unterlagen, habe ich
recht?«, mutmaßte der weißhaarige Mann. Ihr Nicken bestätigte seinen
Verdacht.
»Gut, dann werde ich jetzt sofort
Michael anrufen und ihm das mitteilen.« Milton erhob sich aus dem Sessel.
»Warten Sie bitte noch einen
Moment«, bat Malee.
Höchst erstaunt blieb er
stehen.
»Wenn Sie alle heute Abend noch
nichts vorhaben, dann möchte ich Sie gerne einladen. Heute ist Vollmond. Immer
in der ersten Vollmondnacht im Juli feiern wir Buddhisten das Asalha-Puja-Fest,
das an die erste Predigt Buddhas vor seinen fünf Jüngern erinnert. Gleichzeitig
ist diese Nacht der Beginn der jährlichen Regenzeit, in der sich die Mönche zur
Meditation in die Klöster zurückziehen und nicht mehr durchs Land wandern
dürfen. Und die Seezigeuner beschwören in dieser Nacht ihre eigenen Geister. Sie
glauben, dass bei Vollmond die Tore zur Anderswelt geöffnet sind. Sie haben
heute Nachmittag ihre eigenen Tempelprozessionen. Aber am späten Abend treffen
wir uns alle am Strand und feiern gemeinsam.«
»Das ist eine großartige Idee.«
Ben war begeistert. Und auch Milton nickte ihr wohlwollend zu. »Mein Sohn hat
recht. Das ist eine sehr gute Idee. In so einer intimen Zeremonie kann man die
Menschen am besten beobachten. Vielleicht verhilft uns das zu ganz neuen
Erkenntnissen. Was meinst du dazu, Sébastien?«
Alle Augenpaare waren auf ihn
gerichtet. Sébastien wünschte sich im selben Moment die Welten zu wechseln und
sehnte sich in sein Appartement in Minnesota zurück. Nur dort war es ihm
möglich, seinen bröckelnden Schutzwall wieder aufzubauen.
Malee bemerkte sein Zögern und
fügte sanft lächelnd an: »Nahla wird auch kommen.«
»Danke für den Hinweis«,
erwiderte er sarkastisch. Jep, das war genau das, was ihm jetzt noch fehlte. Ein
erneutes Zusammentreffen mit Nahla, die sein Schutzschild in Gefahr brachte.
Gereizt strich sich er über sein Kinn und rang mit sich. Doch als er Bens
bittenden Blick auf sich fühlte, nickte er ergeben.
»Wunderbar.« Erfreut klatschte
Malee in die Hände, von dem Wunsch beseelt, sich bei den Geisterkriegern für
ihre
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