Tränen der Lilie - Hüter der Gezeiten (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
streiften ihre Finger über den faltigen Körper von Alison. Fast
beiläufig
stellte sie ihre Fragen und bewegte dabei vorsichtig den Kopf
der alten Dame
nach vorne und hinten, ließ sie danach aufstehen und ein paar
Schritte im
Krankenzimmer umher gehen. Dabei beobachtete sie alles sehr
genau und trug die
Ergebnisse in ihre Tabelle ein. Instinktiv dachte die alte Dame
an ein
gemütliches Damenkränzchen in einem Café, so natürlich verstand
es Amy mit ihr
zu plaudern.
Dabei entlockte sie ihr mehr Informationen über ihren
Körperzustand
als es je ein anderer Arzt hätte können. Zum Abschluss bat sie
Allison dann um
eine Schriftprobe und fragte sie wie es um ihren Geruchssinn
stand. Die alte
Dame war mehr als beeindruckt und der Professor blickte sie
gespannt an.
»Und Amy«, fragte Wilson, »zu welchen Urteil sind sie
bei Miss Scinner
gekommen ?«
Wie immer zum Abschluss einer Untersuchung, ließ sie
ihre warmen Hände
noch auf den Bauchnabel der Patientin liegen
der bei den Schamanen als Ursprung allen Lebens galt
und schloss kurz
ihre Augen.
Ja, sie war sich auch hier ohne Zweifel vollkommen
sicher.
Ihre Version stimmte, zusammen mit ihrer handwerklich
erlernten
Untersuchung, überein.
»Ich denke, dass Miss Alison an der Parkinson Krankheit
leidet.
Die dabei auftretenden Symptome sind denen wie Rheuma,
Arthrose oder
dem Carpal–Tunnel–Syndrom sehr ähnlich.
Aber wenn man die normalen Tests um den Schreib- und um
den
Geruchstest erweitert, dann ist der Krankheitsverlauf fast
eindeutig.
Mit ruhiger Stimme erklärte sie ihre Theorie.
Anhand der herkömmlichen Untersuchungen wissen wir
jetzt wie sich bei
Alison die Verlangsamung ihrer willkürlichen Bewegungen, mit der
Reduktion der
Geschwindigkeit auf die Steifheit ihrer Muskulatur auswirkt. Was
sehr oft mit
Rheuma verwechselt wird. Manchmal kann es Jahre dauern bis man
dahinter kommt.
Leider sind viele Ärzte immer noch der Meinung, dass zu
der Parkinson
Krankheit das typische Schütteln und Zittern dazu gehört«, sagte
Amy mit leise
Stimme und blickte den Professor dabei scheu an. Sie wusste sehr
wohl, dass
viele der neuen Studienergebnisse von den alteingesessenen
Ärzten gar nicht gut
aufgenommen wurden.
Aber Wilson betrachtete sie interessiert und schien ihr
auch
aufmerksam zuzuhören. Das gab ihr Mut um weiterzusprechen.
»Die neuesten Studien haben bewiesen, dass bei
mindesten 30 Prozent
der an Parkinson erkranken Menschen, nicht diese arttypischen
Krankheitsverläufe auftreten. Und ein neues, absolut typisches
Merkmal für
viele dieser Erkrankten ist der Schreibtest, bei dem der Patient
automatisch
und ohne es zu wollen in der Mikrographie endet. Also zum
Schluss eines Satzes
in immer kleineren Buchstaben schreibt.
Die meisten Erkrankten verlieren mit der Zeit auch fast
vollkommen
ihren Geruchssinn, was man heutzutage ganz leicht mit dem
sogenannten Balsamico–Test
heraus finden kann .«
»Bravo Amy«, sagte der Professor, wiederum erstaunt von
ihrer
absoluten Treffsicherheit.
Sie hatte wahrhaftig ein untrügliches Gespür dafür was
absolut
beeindruckend war in so jungen Jahren.
Normalerweise brauchten Ärzte nach Abschluss ihres
Studiums noch Jahre
bis sie fehlerfrei und auf Anhieb, die richtige Diagnostik
stellen konnten. Und
dann auch nur mit Hilfe der Bluttests, Computertomographie,
entnommener
Gewebeproben oder Ultraschalluntersuchungen.
Amy war ohne all die technischen Untersuchungen, nur
mit ihrem
Händefühlen und Fragen zu ihrem Resultat gekommen. Manchmal war
sie ihm beinahe
ein bisschen unheimlich. Er beschloss sie noch ein bisschen mehr
unter seine
Fittiche zu nehmen und sie zu fördern. Sie schien eine
ausgesprochen
bemerkenswerte Zukunft als Ärztin und Diagnostikerin zu haben.
Nach der Visite
begab sich Amy wie immer ins Ärztezimmer um ihren Kaffeepause
dort zu
verbringen.
Leider war sie dieses Mal nicht alleine hier. Robert
saß am Tisch,
seine Haare wirkten zerzaust und seine Füße hatte er auf dem
Tisch übereinander
gelegt. »Was machst du hier, Robert«, fragte sie mit
hochgezogenen Brauen.
»Warum bist du nicht mit den anderen in die Kantine gegangen wie
sonst auch ?« Sie betrachtete ihn
näher.
Von seiner sonst so demonstrativen Überheblichkeit
schien nicht mehr
viel übrig zu sein. Er machte einen sehr
Weitere Kostenlose Bücher