Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
tosenden Gewalt der Naturkräfte erneut
übereinander.
Michaels Seele
erreichte die Eiswelt als erstes. Ihr zarter honigschimmernder
Glanz leuchtete in der Nacht, als sie auf ihren Herrn wartete.
Kurz danach schwebte ein zweites Licht heran und warf zartblaue
Schatten auf die Eiskristalle am Boden. Erleichtert atmete
Michael auf und vereinigte seine Seele wieder mit seinen
astralen Körper.
Der harte,
meterhohe Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, als sein
Gewicht den Boden berührte, und er spürte die klirrende Kälte,
die sich von seinen Knöcheln hoch in seinen ganzen Körper fraß
und Kältewellen auslöste, die ihn kaum atmen ließen. Die Eiswelt
schien ihren Namen alle Ehre zu machen. Bei gefühlten minus 20
Grad Celsius spürte er kaum noch seine Finger und auch der dicke
Parka den er vorsorglich angezogen hatte, half ihm kaum gegen
den eisigen Zangengriff der klirrenden Kälte. Michael rieb
heftig seine Hände aneinander, um das taube Gefühl darin
aufzulösen. Er versuchte zu blinzeln, denn der immer heftiger
werdende Wind wirbelte die Tropfen der salzigen Gischt durch die
Luft und ließ sie wie Nadelstiche auf sein Gesicht prasseln.
Stirnrunzelnd kniff er die Augen zusammen und blickte aufmerksam
auf die dunkle, undurchdringliche Wolkenwand und versuchte sich
eine Bild von der Umgebung zu machen. Die Nacht war
rabenschwarz.
Kein einziges
Licht erleuchtete den finsteren und bedrohlich wirkenden
Horizont. Nur die wie Diamanten glitzernden Kristalle des
Schnees wurden durch den dunklen Nachthimmel reflektiert und
Michael konnte in einiger Entfernung eine bizarre Waldformation
erkennen - doch irgendetwas stimmte an diesem Ort ganz und gar
nicht.
Er versuchte sich
zu konzentrieren und die tosenden Geräusche des Meeres
aufzublenden - und dann wusste er auf einmal, was ihn so
sehr irritierte. Außer dem Meer lebte hier nichts. Es lag eine
so allumfassende und erschreckende Stille über diese Eiswelt, so
als wenn die Erde aufgehört hatte zu atmen und stillstand.
Nur tiefes
Schweigen. Kein menschlicher oder tierischer Klang, kein
Vogelgezwitscher und kein atmen von Bäumen oder Pflanzen war zu
vernehmen. Michael konnte sich nicht daran erinnern, jemals so
ein vollkommenes, tiefes und totes Schweigen vernommen zu
haben.
Barafu ya Dunia
war ein toter Ort, an dem scheinbar nur das Vakuum des Bösen
lebendig war. Oder doch noch etwas anderes. Denn jäh hörte er
jetzt ein flirrendes Surren und sah ruckartig in den schwarzen
Himmel hinauf. Während der Wind den Geruch von Salz und Meer zu
ihm herüber wehte, entstand am Himmel ein flammendes und
mystisches Inferno. Zuerst sah er nur eine gewaltige
steilaufgerichtete Feuerflamme, die immer höher wuchs und sich
dabei um sich selbst schlang. Unvermittelt löste sich die Flamme
in ein fließendes, silbrig blaues Leuchtband auf, das sich
gemächlich zu weichen Wellen formte und sich wie ein
magentafarbener Schleier auf den Horizont zubewegte. In den
Weiten des Universums angekommen, teilte sich der Schleier mit
einem Mal zu unzähligen fließende Lichtstrahlen, die sich durch
wallende Bewegungen in tiefe, rubinrote Lichtkreise und Ringe
verwandelten.
Die purpurnen
Ringe pulsierten in kurzen Abständen von einer halben Minute,
fast so als ob sie atmen würden. Die zuckenden Lichtflecken
schienen die blinkenden Sterne am Firmament fast liebevoll zu
umgarnen. Bis sich ein hellgrüner Nebelschleier über sie
absenkte und die Sterne wie einen Vorhang umhüllte. Trotz der
drohenden Gefahr, in der er sich an diesem Ort befand, hatte
Michael atemlos diesem beeindruckenden Schauspiel der Natur
zugesehen. In seinem langen Leben hatte er so etwas schon
unzählige Male gesehen, aber noch niemals so kraftvoll und noch
nie so intensiv. Es schien fast, als ob die Lichtflammen mit
ihrer Wärme versuchten, der toten Welt unter sich ein bisschen
Leben einzuhauchen.
Ein lauter Knall
zerriss die Stille und Michael drehte sich mit einer
raubtierartigen Geschwindigkeit in die Richtung, aus der das
Geräusch gekommen war.
Merde…
verdammte Scheiße! Wo zum Teufel bin ich hier… , fluchte
eine ihm nur allzu bekannte Stimme.
Vorsichtig ging
Michael durch den hoch aufgetürmten Schnee, der teilweise
tückische Fallen aus kleinen Wasserrinnen und treibenden
Eisschollen unter sich verbarg, und stampfte in seine Richtung.
Dort
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