Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
doch! Du
kannst es aushalten und wir werden es zusammen überstehen. Und
dann werden wir daran arbeiten, dass so etwas nie wieder
passiert.«
Seine Antwort war
ein jaulendes Stöhnen, als er sich erneut übergeben musste. Amy
streichelte ihn teilnahmsvoll über seinen verspannten Rücken und
blickte auf die Uhr. Nach der geschätzten Menge Alkohol und den
Medikamenten, die er intus hatte, brauchte sein Magen mindestens
noch zwei Stunden, bis alles draußen war. Müde zog sie ihre
Beine an und versuchte es sich auf dem Fussboden etwas bequemer
zu machen. Als sie ihren Kopf gegen die gekachelte Wand lehnte,
fiel ihr Blick auf Roberts zerknitterte Jacke, die achtlos neben
ihm lag. Da er ihre Hand beim Würgen fest umklammerte, angelte
sie mit dem linken Fuß nach der Jacke und griff danach ohne
Skrupel in die Innentaschen.
Sie musste endlich
wissen, welche Pillen er nahm, um ihm gezielt helfen zu können.
In der linken Tasche wurde sie schließlich pfündig und zog ein
Tablettenröhrchen heraus. Als sie den Namen des Medikamentes
las, traf sie der Ernst der Lage wie ein Schlag in den Magen.
»Oh nein… Robert
was tust du deinen Körper an«, flüsterte sie benommen und
starrte auf die Buchstaben. Das hier war ein Antidepressivum,
das nur in äußerst schweren Notfällen an suizidgefährdete
Patienten verschrieben wurde, da die Tabletten schon in
kürzester Zeit zu einer fatalen Abhängigkeit führten.
»Robert!« Amy
beugte sich zu ihm, legte eine Hand unter sein Kinn und zwang
ihn so, sie anzusehen.
»Welcher Arzt hat
dir diese Tabletten verschrieben?«
Er fasste sich an
seinen hämmernden Kopf und brachte mit heiserer Stimme
hervor: »Kein Arzt… - aber der Typ auf dem Schwarzmarkt ist
immer super nett zu mir…«
Amy erstarrte.
Diese Sorte Pillen waren schon im Original tödlich, aber in der
gepanschten Variante vom Schwarzmarkt waren sie das direkte
Ticket in die Hölle. Die Nebenwirkungen reichten von einem
rasanten Anstieg der Leberenzymwerte, bis zu einer rapiden
Gewichtsabnahme, Unruhe, Zittern, Nervosität und
Schweißausbrüchen.
Jetzt fiel es ihr
wie Schuppen von den Augen. All das waren die Symptome, die sie
an ihm schon so lange bemerkt hatte, ohne jedoch den Ernst der
Lage zu erkennen. Wütend biss sie sich auf die Unterlippe. Wie
konnte sie nur so blind gewesen sein. Das erklärte auch seine
Aggressivität vor ein paar Tagen, als er auf ihren entstellten
Körper anspielte. Sie hörte wieder seine Worte: Ich habe
heute keine einzige Pille genommen, für dich…
Amy stöhnte leise
auf, denn ihr war klar, dass man die tödliche Abhängigkeit
dieses Medikamentes nur mit einer sehr langwierigen Therapie und
stationären Entzug heilen konnte. Wenn man jedoch selbstständig
die Dosis absetzte, konnte es zu einer aggressiven
Verhaltensweise und zu Suizidgedanken kommen. Und die
gleichzeitige Einnahme von Alkohol verstärkte die Wirkung noch.
Das Ergebnis ihrer Überlegungen lag jetzt neben ihr und würgte
sich die Seele aus dem Hals. Amy betrachtete ihn mitfühlend.
Erschöpft lehnte sie sich zurück an die Wand und richtete sich
auf eine sehr lange Nacht ein.
****
Irgendwann,
nachdem sie kurz eingenickt war, schrak sie auf und sah die auf
die Uhr: kurz nach fünf Uhr morgens. Sofort warf sie einen
besorgten Blick zu Robert und atmetet erleichtert auf. Es schien
so, als ob seine Innereien sich beruhigt hatten. Statt des
konstanten Würgens vernahm sie nun ein leises Schnarchen und
schüttelte verwundert den Kopf. Er hatte es tatsächlich
geschafft, in einer halb verengten Haltung einzuschlafen. Sein
Rücken war gegen ihren Körper gelehnt und seine Arme und sein
Kopf lagen immer noch auf der Toilette. Amy befreite sich
vorsichtig von ihm und stand schwerfällig auf. Ächzend massierte
sie sich die eingeschlafenen Waden und versuchte Robert
aufzuwecken. Danach ging sie zum Fenster und öffnete es so weit
wie möglich und den beizenden Geruch von Erbrochenen raus
zulassen.
Die kühle und
frische Morgenluft Arizonas strömte herein und Amy atmete sie
tief ein und sehnte sich nach ihrem Bett. Hinter ihr erklangen
leise grunzende Geräusche und sie hörte wie Robert sich
schwerfällig erhob.
»Komm mit. Du
kannst im Wohnzimmer schlafen. Ich hole dir eine Decke von
oben.«
Müde schob sie ihn
aus dem Bad vor sich her. Immer noch stark angeschlagen
Weitere Kostenlose Bücher