Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
Ausstrahlung liegen.«
In dem Augenblick,
als die Worte seinen Mund verlassen hatten, biss er sich sofort
verlegen auf die Lippen. Hatte er sich eben wie ein
liebeskranker Teenager angehört? Er hoffte inständig, dass sie
es nicht so aufgenommen hatte und versuchte sie schnellstmöglich
abzulenken.
Sie kamen zu den
Ställen und Ben zeigte auf eine Reihe von Pferdeboxen.
»Das sind alles
Michaels Pferde. Und das da,- er wies auf eine sanft aussehende
Stute die sich gemächlich kauend aus einem Boxenfenster lehnte,-
das ist Raina. Die Mutter von Yuma und Michaels ganzer Stolz.«
»Was macht er mit
so vielen Tieren, verkauft er sie?«, fragte sie interessiert.
»Nein.« Ben sah
sie erstaunt an. Bis ihm einfiel, dass Rebecca mit Pferden
bisher nichts am Hut hatte und es darum auch nicht wissen
konnte.
»Mein Bruder ist
ein bekannter Western-Pleasure Reiter. Im Turniersport steht
sein Name immer an erster Stelle. Er hat mit der Züchtung
angefangen, weil die Appaloosa über eine tiefe
Menschenbezogenheit verfügen, was sie gerade im Umgang mit
Kindern zeigen. Michael hat schon vor einigen Jahren eine
Westernranch für kranke und gehandikapte Jugendliche gegründet.
Die Ranch liegt in der Nähe der berühmten Arizona Sun
Circuit Rennstrecke.«
Rebecca sah ihn
staunend an.
»Ist das weit von
hier?«
»Mit dem Auto
ungefähr zwei Stunden. Wenn du magst, dann können wir irgendwann
zusammen hinfahren. Es gibt dort speziell ausgebildete Lehrer,
die sich um die Kinder kümmern. Sie lernen das Reiten und den
Umgang und die Pflege mit den Tieren. Wenn du das Lachen ihren
Gesichtern siehst, wenn sie mit den Pferden schmusen, ist das
alle Mühe wert. Michael hat die Ranch ganz alleine aufgebaut,
wir sind erst viel später dazugekommen.«
Ben hob einen
Stock auf und schleuderte ihn weit in die Luft. Der Collie, der
sie auf dem Hof schwanzwedelnd begrüßt hatte, bellte entzückt
auf und hechtete begeistert dem Holz hinterher.
»Es gab eine Zeit
in Michaels Leben, in der er die Pferde mehr geliebt hat als die
Menschen und seine Familie. Mein Bruder war viele Jahrzehnte
alleine und hat sich verzweifelt nach einer Gefährtin gesehnt.
Keiner von uns, auch Mahu nicht, war damals in der Lage ihn zu
trösten. Und du kannst mir glauben, er war in dieser langen
Periode unausstehlich. Darum sind wir alle so froh, dass es
jetzt Amy gibt. Seitdem sie in sein Leben getreten ist, ist er
wie verwandelt und endlich wieder zu dem Bruder geworden, den
ich bewundere und achte.«
Plötzlich blieb
Ben stehen, öffnete ein Scheunentor und zog Rebecca ins warme
und dunkle Innere des Pferdestalls. Er legte den Zeigefinger an
seine Lippen und gab ihr zu verstehen, leise zu sein. In einer
abgedunkelten Ecke war ein großer Berg Stroh aufgetürmt, den er
jetzt behutsam zur Seite schob. Und dann kam ein kahler, leicht
wackelnder Kopf mit übergroßen Augen zum Vorschein.
»Darf ich
vorstellen«, sagte Ben andächtig, »das hier ist Peebles, unser
jüngstes Fohlen. Es ist erst acht Tage alt und noch zahnlos.
Also erschreck dich nicht wenn er gähnt. Erst in zwei Tage
werden seine mittleren Schneidezähne durchbrechen und die wird
er dann benutzen, um uns leidenschaftlich in den Finger zu
beißen. Seine Mutter hat nicht genug Milch, darum füttern wir
jeden Tag etwas dazu. Hast du vielleicht Lust, ihm sein
Fläschchen zu geben?«
Ungläubig sah
Rebecca ihn an.
»Da fragst du
noch? Und ob ich Lust habe.«
Entzückt sank sie
in das Heu und streichelte das kleine Etwas vom Pferdchen
liebevoll. Nach wenigen Minuten erschien Ben mit einer
Milchflasche und zeigte ihr, wie sie diese halten musste. Tief
bewegt streichelte Rebecca zärtlich die noch flaumige Mähne des
Ponys, das nun genüsslich an der Flasche nuckelte und
schmatzende, saugende Geräusche von sich gab.
Dann warf sie
einen verstohlenen Blick zu Ben, der inzwischen Raina in der
Stallecke angebunden hatte und sie hingebungsvoll striegelte.
Nachdenklich biss sie sich auf
die Lippe, bevor
sie wagte ihm die Frage zu stellen, die sie in ihrem Innersten
schon lange beschäftigte.
»Ben, darf ich
dich was fragen?«
»Klar, jederzeit.«
Rebecca druckste
ein wenig herum.
»Glaubst du
eigentlich an irgendetwas bestimmtest?«
Erstaunt drehte er
sich zu ihr herum und sah die Ernsthaftigkeit in ihrem Gesicht.
Bedächtig striegelte er Rainas Hals.
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