Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
stehen, musst du aufpassen, denn dann ist er
unmutig.«
Unter Zustimmung
begann der Wallach zu wiehern und reckte seinen Kopf in die
Höhe. Rebecca lachte erstaunt auf und der Bann schien gebrochen
zu sein. Vorsichtig löste sie sich aus Bens Hand und ging
zögernd einige Schritte nach vorne. Yuma beobachtete sie
interessiert und bewegte sich ebenfalls langsam auf sie zu.
War es tatsächlich
möglich, dass er ihre Ängste gespürt hatte und ihr jetzt auf
halber Strecke entgegenkam, fragte sie sich verblüfft. Als sie
fast auf gleicher Höhe waren blieb sie stehen und sah ihn
schüchtern an. Yuma schnaubte leise. Danach streckte er seinen
Kopf vor und stupste sie leicht an der Hand. Verschreckt wollte
sie zurückweichen, doch dann begegneten sich ihre Blicke und
Rebecca sah in seine ruhigen und aufmerksamen Augen, die von
langen, schwarzen Wimpern umrandet waren.
»Das ist das
charakteristische Merkmal bei den Appaloosa Pferden. Man sagt,
das sie Menschenaugen besitzen.«
Rebecca hatte ihn
nicht gehört. Ben war leise nähergekommen, stand nun auf der
anderen Seite vom Pferd und nahm ihre Hand.
»Komm, spür wie
warm sein Fell ist. Er wartet darauf, dass du ihn berührst.«
Ben führte ihre
Finger, legte sie sanft auf die Mähne und ließ dann unmerklich
ihre Hand los. Zaghaft berührte sie das schokoladenfarbene kurze
Fell, strich schüchtern an seinem Hals entlang, wo sie das
Pochen seiner Adern fühlte. Yuma hatte den Kopf leicht zur Seite
geneigt und schien die zarten Erkundungen ihrer Finger zu
genießen. Über den Pferderücken hinweg blickte sie zu Ben, der
ihr verschwörerisch zublinzelte.
»Hat es Yuma bei
dir auch geschafft?«, fragte er spitzbübisch.
»Bei mir war es
damals Liebe auf den ersten Blick. Wir haben uns angesehen und
wussten beide, das wie zusammengehören.«
»Kannst du mit ihm
reden?«, fragte sie erstaunt. Ben lachte schallend auf.
»Nein, ich bin
kein Pferdeflüsterer, wenn du das meinst. Aber durch meine
tierischen Instinkte als Gestaltwandler, kann ich mich gut in
seinen Gemütszustand hineinversetzten und Yuma spürt das
anscheinend. Normalerweise sind Pferde Fluchttiere und würden
einen Puma nicht einmal ansatzweise in ihre Nähe lassen. Doch
auch wenn ich mich verwandel, kommt er zutraulich auf mich zu
und sucht zu dem Puma, der ich dann bin, die Nähe.«
Gebannt hatte sie
Ben zugehört und sah ihn an. Sie erkannte erstaunt, dass er sich
in den letzten Wochen irgendwie verändert hatte. Normalerweise
wirkte er immer leicht schlaksig, ungelenk und eckig in seinen
Bewegungen. Jetzt bemerkte sie zu ihrer Verwunderung, dass er
fast einen Kopf grösser war, als sie selbst. Sein ganzer Körper
war kräftiger geworden - fast männlich -.
Da er sein T-Shirt
ausgezogen hatte, fiel ihr Blick nun unweigerlich auf seinen gut
durchtrainierten, gebräunten Oberkörper und seine ausgeprägten
Bauchmuskeln. Wie war das möglich, fragte sie sich benommen. War
sie in den letzten Wochen wirklich so in ihrer eigenen Welt aus
Selbstmitleid versunken gewesen, dass sie seine Veränderung
nicht bemerkt hatte? Ben sah jetzt wie ein Mann aus und hatte
keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem schlaksigen Teenager-Jungen
von früher.
Zum ersten Mal sah
sie in ihm nicht nur einen warmherzigen Freund, sondern fühlte
etwas anderes. Etwas, das ihr ein leichtes Kribbeln verursachte
und das sie noch nicht richtig einordnen konnte. Schweigend
sahen sie sich an, bis Yuma anscheinend langweilig wurde und er
übermütig seinen Kopf an ihren Hals rieb. Sein warmer Pferdeatem
dampfte aus seinen Nüstern und Rebecca lachte auf. Ohne Angst
vergrub sie ihre Hände in seiner Mähne und umarmte ihn
liebevoll.
Ben beobachtete
sie eine Weile und war erfreut, dass sein Experiment offenbar
geglückt war und Rebecca ihre Angst vor Pferden überwunden
hatte.
»Hey ihr beiden!
Hört sofort auf zu schmusen, bevor ich eifersüchtig werde.
Komm mit. Ich zeige dir die anderen Stallungen und das Fohlen.«
Sie kicherten wie
ausgelassene Kinder und überquerten die breite Wiese. Yuma
folgte ihnen in unmittelbarer Nähe. Sein Wiehern und beständiges
Schnauben vermischten sich mit ihrem Lachen und Ben grinste
zufrieden.
»Yuma mag dich,
eindeutig. Normalerweise ist er viel vorsichtiger im Umgang mit
Fremden, aber mit dir scheint er fast zu flirten. Das muss an
deiner betörenden
Weitere Kostenlose Bücher