Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
Vorsichtig
ging sie auf Robert zu und schmiegte sich an seine Schultern.
Sie nahm seinen ausgemergelten und abgemagerten Körper wahr und
streichelte sanft seine Schulter und er stöhnte leise auf. »Ich
werde noch verrückt, wahrscheinlich bin ich es schon«, flüsterte
er resigniert.
»Amy, ich kann so
nicht mehr weitermachen. Vielleicht sollte ich das Studium
einfach hinschmeißen… und mir eine Kugel durch den Kopf jagen«,
sinnierte er düster.
Sie packte ihm am
Arm, riss ihn zu sich herum und starrte ihm wütend an.
»Mit so etwas
spaßt man nicht. Sag das nie wieder, hörst du?«
»Amy, lass mich…
ich will nicht mehr… lass mich in Ruhe…«
»Nein, nein… das
werde ich ganz bestimmt nicht tun«, schrie sie ihn an und
schütterte ihn energisch.
»Rob, reiß dich
gefälligst zusammen. Wenn deine Eltern nicht wissen, wie sie mit
dem Verlust ihrer Tochter umgehen sollen, dann ist das noch
lange kein Grund, dir dafür die Schuld zu geben. Es
waren schließlich ihre Gene, die sowohl Elizabeth mit ihrer
schrecklichen Krankheit gezeugt haben, als auch dich mit deinem
nicht übereinstimmenden Knochenmark. Das ist der natürliche Lauf
der Natur. Aber es ist sicherlich nicht deine Schuld.
Versuche an dich selber zu glauben«, flüsterte sie leise.
Doch Robert schien
durch sie hindurchzusehen und ihre Worte prallten scheinbar an
ihm ab. Amy hörte auf ihn zu schütteln und zog ihn stattdessen
teilnahmsvoll an sich. Wiegte ihn sanft in ihren Armen und
versuchte seinen Schmerz aufzufangen.
»Es sind sie,
deine Eltern die schlecht sind, nicht du.«
Mitfühlend nahm
sie sein Gesicht in ihre Hände und zwang ihn sie anzusehen.
»Robert, du musst
lernen dich selbst zu akzeptieren und dich zu lieben. Ich tue es
doch auch.«
Er lachte
frustriert auf.
»Ja ich weiß. Du
liebst mich so wie einen Hundewelpen, der dich mit seinen
Plüschaugen anblickt.«
»Was…?«, sie sah
ihn stirnrunzelnd an und konnte seinem plötzlichen
Gefühlsumbruch nicht nachvollziehen. Robert stand mit dem Rücken
ans Gelände gelehnt. Jetzt stütze er sich ab und trat ganz dicht
auf sie zu.
»Du weißt genau,
wie ich das meine, Babe. Aber dein heißgeliebter Wachhund ist
nicht hier. Wahrscheinlich kommt er auch gar nicht mehr zurück.
Also, warum versuchst du mich nicht einmal mit anderen Augen zu
sehen?«
Langsam hob er die
Hand und strich ihr übers Gesicht, doch Amy wich einen Schritt
zurück.
»Michael ist bei
seiner Familie in Minnesota. Aber er wird bald zurückkommen,
warum sollte er das nicht?«
Robert ließ
frustriert die Hand, die eben noch ihre Haut berührt hatte,
sinken und dann rastete er unvermittelt aus. Zornig sah er sie
an und spukte seine nächsten Worte fast heraus.
»Vielleicht… weil
er den Anblick deines verunstalteten Oberkörpers nicht mehr
erträgt… oh Gott… nein… das wollte ich nicht sagen…«, stammelte
er und ging auf sie zu.
Amy starrte ihn
wie betäubt an und presste zeitgleich eine Hand beschützend auf
ihre Narbe.
»Du Arschloch,
warum tust du das?«, fragte sie erstickt und sah ihn schockiert
an.
Robert wirkte
jetzt nur noch wie ein Schatten seiner selbst. Verzweifelt
vergrub er sein Gesicht in seine Hände und stöhnte auf.
»Es tut mir so
leid Amy, so leid… bitte vergib mir…«, flüsterte er mit tonloser
Stimme und sackte auf die Knie. Stumm betrachtete sie seinen
gebeugte Rücken und sah wie sein ganzer Körper unter seinen
Gefühlsausbruch zu beben begann. Tief ausatmend ging sie langsam
auf ihn zu. Dann setzte sie sich neben ihn auf die alte
Holzterrasse und nahm ihn wortlos in die Arme.
Nach einiger Zeit
wurde er ein wenig ruhiger. Er nahm die Hände vom Gesicht und
wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes über die Augen.
»Ich habe deine
Freundschaft überhaupt nicht verdient, Amy«, sagte er leise.
»Ich weiß nicht
wie ich das eben gesagte wieder gut machen kann. Wenn ich
könnte, würde ich es bei Gott zurücknehmen… ich…«, er stockte
kurz, »ich habe heute den ganzen Tag lang keine einzige Pille
genommen - dir zuliebe. Ich hätte wissen müssen, dass es in die
Hose geht. Wenn die Wirkung nachlässt, dann verfalle ich immer
in negative Schwingungen und sage Dinge, die ich später bereue.
Dann fühle ich mich wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Verdammt, ich
fühle mich so beschissen.«
Beschämt und von
den
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