Traenen des Kummers, Traenen des Gluecks
ermutigte sie auf dem Weg ins Leben. Sie schenkte ihnen Liebe und Vertrauen. Das Bild, wie sie im Badeanzug einen kichernden Justin mit Sonnencreme einrieb, kam ihm plötzlich in Erinnerung.
Bereits damals war ihm aufgefallen, wie voll und fest ihre Brüste waren. Aber da er ein loyaler Freund war, hatte er solche Gedanken stets sofort im Keim erstickt.
Er vermied es, auf Nans sinnliche Lippen zu blicken, und schaute in sein Glas, in dem sich die Eiswürfel langsam auflösten.
„Wird Justin eine Strafe bekommen?“ fragte Nan unsicher.
„Nicht von Gesetz wegen. Er ist noch unter zwölf und hat noch nie Ärger gemacht. Hast du dir schon eine Strafe für ihn ausgedacht?“
Sie hob leicht den Kopf. „Ich habe ihm gesagt, dass er für die zerbrochenen Glasscheiben aufkommen muss.“
„Gut.“
„Und ich habe ihm bis auf Weiteres Hausarrest erteilt.“
David lächelte. Nan sah so entschlossen aus. Er kannte und schätzte sie als Frau, die alles erreichen konnte, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Aber war sie auch konsequent genug, wenn es um ihren Sohn ging? „Zeigst du ihm nur Grenzen auf, oder sorgst du auch dafür, dass er sie einhält?“
„Wie meinst du das?“ fragte sie leicht irritiert.
„Bleibst du dabei, wenn du einmal etwas gesagt hast, oder lässt du dich von ihm erweichen?“
Ihre Augen blitzten entrüstet auf. „Hey, ich weiß, wie ich mit meinen Kindern umgehen muss. Aber Justin braucht Hilfe, die ich ihm nicht geben kann.“
Er unterdrückte ein Lächeln. Sie sah so hübsch in ihrer Empörung aus. Dabei hatte er sie doch auf keinen Fall kritisieren wollen. „Hey, Nan. So war das nicht gemeint. Ich weiß doch, dass du eine wunderbare Mutter bist.“
Sie winkte ab. „Gestern Nacht sagtest du, dass es schwer für einen Jungen wäre, ohne Vater erwachsen zu werden. Aber du bist doch auch ohne leiblichen Vater aufgewachsen, nicht wahr?“
Er dachte an den langweiligen und lieblosen Joe Demming, der glaubte, ein guter Vater zu sein, weil er ihm einen Fernseher gekauft hatte, wohl in der Hoffnung, dass er dann seine Ruhe haben würde. Doch David hatte sich nur selten vor den Fernseher gesetzt, und sein Stiefvater hatte sein Verhalten als sehr undankbar empfunden. Er schätzte sowieso nichts von dem, was David je gemacht hatte.
„Ja, mein Vater starb, als ich noch klein war. Und später hatte ich einen Stiefvater, der es vorzog, meine Existenz zu leugnen. Insofern kann man das ruhig eine vaterlose Kindheit nennen.“
Sie trank einen Schluck Eistee und sah ihn mitfühlend an. „Wie kommt es dann, dass du so ein vorbildlicher gesetzestreuer Bürger geworden bist?“
Er lächelte. „Bis ich so weit war, habe ich auch einige Umwege gemacht. Aber ich hatte das ungeheure Glück, einen sehr engagierten HighSchoolRektor gehabt zu haben. Er nahm uns an den Wochenenden immer mit zu Campingausflügen.
Wir lernten dort schnell, dass wir nicht so coole Typen waren, wie wir vorgaben, und wie wichtig es ist, sich auf andere verlassen zu können.“
„Findest du, dass Justin das auch lernen sollte?“
„Ja, das und dass er die Verantwortung für seine Handlungen selbst übernehmen muss. Gerade die gefährdeten Jugendlichen müssen lernen, dass sie allein für sich verantwortlich sind und dass sie nicht dem System, den Eltern oder irgendwelchen anderen Leute die Schuld zuschieben dürfen. Sie müssen begreifen, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen müssen.“
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. „Wie viel Zeit verbringst du mit den Jugendlichen?“
„Wir warten immer, bis wir eine gewisse Anzahl von Kindern zusammen haben, und arbeiten dann sechs Monate ziemlich intensiv mit ihnen. Danach treffen wir uns einmal im Monat. Sie können uns jederzeit anrufen, wenn sie ein Problem haben, mit dem sie allein nicht fertig werden.“
„Mit wem arbeitest du zusammen?“
„Mit Cindy Manning. Sie ist Sozialarbeiterin und zufällig mit meinem Arbeitskollegen verheiratet. Einer von uns ist immer erreichbar.“
Nan runzelte die Stirn. „Weißt du, meine größte Sorge ist, dass Justin sich emotional zu stark an dich binden könnte. Falls das passiert und dir etwas zustoßen sollte…“
David musste diese Frau bewundern. Hinter ihrer hübschen Fassade besaß sie mehr gesunden Menschenverstand und Mut als so mancher Mann. Natürlich machte sie sich Sorgen, ob es richtig war, dass Justin sein Herz an einen Polizisten hing. Sie wäre nicht die Frau, die er kannte, wenn sie sich darum
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