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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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seine Unfähigkeit, seine Tochter aus dem Busch zurückzuholen, zu betäuben. Er verfluchte Niah, weil sie ihn einfach im Stich gelassen hatte, gab sich aber selbst die Schuld dafür.
    Olivia war geduldig und versuchte, Verständnis aufzubringen. Doch dann erinnerte sie sich, wie energisch Tyndall sie aus ihrer eigenen Krise aufgerüttelt hatte, und sie machte sich auf, um ihm gehörig den Kopf zu waschen.
    Tyndall saß in sich zusammengesunken auf seinem Schreibtischstuhl, unrasiert, die unvermeidliche Flasche Whisky auf dem Schreibtisch, daneben ein Wust Papiere, seine Kapitänsmütze und ein Spielzeuglogger, mit dem Maya immer gespielt hatte. Als Olivia eintrat, funkelte er sie wütend an.
    »Setzen Sie bloß nicht dieses Wohltätergesicht auf«, knurrte er bitter.
    »Hören Sie mal, John, mit Ihrem Verhalten tun Sie sich nichts Gutes. Sie können Ihren Kummer nicht ertränken, damit schaden Sie sich nur selbst.«
    »Wie originell. Hören Sie auf zu predigen.«
    »Was Sie in Ihrem Privatleben treiben, ist mir egal, aber wenn Sie nur noch betrunken durch die Bars von Sheba Lane ziehen und sich weiter so gehenlassen, schaden Sie dem Unternehmen. Die Besatzungen werden langsam aufsässig, Yoshi und Ahmed mußten schon bei mehreren Kämpfen eingreifen. Die meisten anderen Logger sind schon ausgelaufen, und unsere Leute gammeln immer noch im Ufercamp herum.«
    »Woher sind Sie denn über mein Verhalten so genau informiert?«
    »Die Stadt ist klein, haben Sie das vergessen? Was Sie tun, weiß kurz darauf jedes Kind. Die Leute lachen über Sie, John. Wollen Sie wirklich den Eindruck erwecken, Sie wären am Boden zerstört, weil Ihnen Ihre Geliebte davongelaufen ist?«
    Seine Augen verengten sich. »Das reden die Leute über mich?«
    Olivia nickte.
    »Dann sagen Sie ihnen, sie können mich mal!« Mit einer wütenden Armbewegung fegte er den Spielzeuglogger vom Tisch, langte nach der Flasche und wandte Olivia den Rücken zu.
    »Sie benehmen sich wie ein Rüpel, John. Und werden auch noch ausfallend!« beschwerte sie sich empört.
    Er beachtete sie nicht und nahm einen kräftigen Zug aus der Flasche.
    Olivia beugte sich über den Schreibtisch, packte ihn an den Schultern und wirbelte ihn auf seinem Drehstuhl energisch wieder herum, damit sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Vor Ärger schoß ihr die Röte in die Wangen, und sie schrie ihn an: »John Tyndall, Sie sind … ein … ungehobelter Klotz mit schlechten Manieren!« Damit drehte sie sich um und stapfte aus dem Büro. Stumm und benommen, die Flasche noch in der Hand, sah Tyndall ihr nach und fühlte sich nicht wenig beschämt.
     
    Olivia seufzte verärgert, ging zum Muschelschuppen und hielt Ausschau nach Ahmed. Er und Yoshi hatten auf eigene Faust begonnen, die
Conrad
und die
Shamrock
zu beladen.
    »Sie haben Tuan gesagt, daß wir müssen los?« fragte er.
    »Habe ich. Ich weiß nur nicht, ob es viel Zweck hatte. Er trinkt. Und tobt herum.«
    »Wir können nicht warten, bis Niah kommt zurück. Wir müssen die Küste rauf, aber schnell. Vielleicht wir sollen schanghaien Käpt'n und dann losfahren.«
    Olivia lächelte schwach. Tyndall einfach kidnappen? Das war bisher der beste Vorschlag.
    Ahmed sah sie einen Moment lang forschend an und fragte dann: »Sie glauben, Niah kommt zurück mit Maya?«
    »Ja, Ahmed, davon bin ich überzeugt! Ich finde es völlig verständlich, daß sie fortgegangen ist. Sie wollte ihre Sippe sehen, und Kapitän Tyndall hat sie in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt.«
    Ahmed bemerkte in Olivias Augen einen Anflug von Schuldbewußtsein. »Tuan hat viel Sorgen und zuviel Arbeit. Niah will, daß sich alles dreht um sie. Langweilt sich. Kommt sicher zurück, wenn Sommer ist vorbei, dann wieder alles gut.«
    »Ich hoffe, du hast recht, Ahmed. Hast du Nachricht von Kapitän Evans?«
    »Nein, Mem. Läuft alles glatt. Er ist auf See, bei der Arbeit. Braucht bald Nachschub von Tuan.«
    Ohne weiter darüber zu reden, waren Olivia und Ahmed beide froh, daß ihr neuer weißer Kapitän nichts von Tyndalls momentaner Verfassung wußte.
     
    Thomas Evans stammte aus Liverpool, wo er zur Schule ging, bis er als Schiffsjunge bei der Sinclare Line anheuerte. Auf Handelsschiffen, die nach Indien und Australien fuhren, diente er sich langsam hoch. Der Ruf des Goldes und der Traum vom schnellen Vermögen lockten ihn zu den Goldfeldern von Marble Bar. Doch das Vermögen blieb aus, Evans vermißte die See und kehrte nach Broome zurück, wo er sich als

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