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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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ein großes Stück Rinde von einem Baum und hielt es sich zum Schutz gegen die Sonne über den Kopf, während sie einem kleinen Pfad bachaufwärts folgte.
    Als sie schon glaubte, keinen Schritt mehr gehen zu können, sah sie vor sich mehrere Hütten und dahinter einen hohen weißen Turm. In diesem Moment kamen ein schwarzes Mädchen und ein Junge den Pfad entlang. Bei Niahs Anblick kreischten sie vor Schreck und rannten davon.
    Niah rief ihnen mit schwacher Stimme nach, dann sank sie zu Boden und verlor das Bewußtsein.
     
    Als sie die Augen wieder aufschlug, fand sie sich auf einem schmalen Bett in einem zellenähnlichen Raum wieder. An einer Wand hing ein schwarzes Kreuz, und durch das Fenster mit seinen geöffneten Läden kamen heller Sonnenschein und eine luftige Brise herein. Niah wandte den Kopf und sah einen weißen Mann in einer langen schwarzen Robe neben ihrem Bett sitzen, der sie gütig anlächelte. Er nahm eine Schale zur Hand und flößte ihr kalte Brühe ein. Niah fühlte sich ein wenig gestärkt. Verwundert blickte sie an sich herunter auf das hemdartige weiße Gewand, das sie trug. Als sie den Verband um ihre rechte Schulter bemerkte, versuchte sie, den Arm zu bewegen, aber er ließ sich nicht heben. Plötzlich wurde ihr ganz heiß, und im nächsten Moment begann sie zu frösteln. Angst überkam sie, aber der Mann sprach behutsam auf sie ein. Sein Akzent war so ganz anders als der, den sie von den Weißen aus Broome kannte.
    »Ich bin Bruder Frederick. Das hier ist Beagle Bay, hab keine Angst. Du bist sehr krank. Schlaf ein bißchen, später versuchst du dann, etwas zu essen, ja?«
    Niah fiel auf das Kissen zurück und schloß die Augen.
     
    Drei Tage lang kämpfte Niah gegen das Fieber und die Infektion, die das Gift der tödlichen Koralle verursacht hatte. Sie hatte eine Menge Blut verloren, und Bruder Frederick verbrachte lange Zeit im Gebet für die junge Eingeborene, die so hoffnungslos krank war. Niah fehlte die Kraft zum Sprechen. Nur einmal, als Bruder Frederick sie nach ihrem Namen fragte, brachte sie ein einziges Wort hervor – »Niah«, wisperte sie.
    Mit den Tagen, die verstrichen, verlor Niah immer mehr Lebenskraft.
    Schließlich hob Bruder Frederick sie aus ihrem Bett und trug sie hinüber in die weißgetünchte Kirche. Im Inneren war es dunkel und kühl. Er trat vor den Altar, legte Niah auf eine Matte, zündete Kerzen an, kniete sich neben sie und hob die Arme im Bittgebet.
    »Gütiger Vater, segne dieses Heidenkind, nimm es auf in dein Reich und gieße deine Liebe und deinen Segen über ihm aus. Laß sein Leben nicht umsonst gewesen sein.«
    Niah schlug die Augen auf und erblickte den Altar mit den brennenden Kerzen und den schimmernden Perlmuttschalen. Ein schwaches Lächeln erschien auf ihren trockenen Lippen, und sie hob kraftlos den Arm. Bruder Frederick folgte ihrem Blick zu dem Perlmuttanhänger um ihren Hals und begriff, daß sie in den Muschelschalen am Altar etwas wiedererkannt haben mußte. Dann fiel ihr Kopf zur Seite, und sie starb friedlich in seinen Armen.
     
    Bruder Frederick begrub Niah auf dem kleinen Friedhof nahe der Kirche.
    Er schmückte das Grab mit einem schlichten Grabstein, in den der Perlmuttanhänger eingegipst war. Das merkwürdige Muster verwunderte den Mann, aber er spürte, daß es eine starke Symbolkraft und eine tiefe Bedeutung hatte.
    Bruder Frederick vermerkte das Geschehnis in seinem Tagebuch und sprach nie wieder davon. Für ihn waren Leben und Tod wie die Blätter, die im Herbst vom Baum fielen.
     
    An einem weit entfernten Teil der Küste sahen die Eingeborenenfrauen Gunthers Schiff mit dem schwarzen Rumpf und den dunkelroten Segeln davonsegeln. Im Sand entdeckten sie die Spuren eines Kampfes und fanden Niahs Stock. Es kam häufiger vor, daß Aborigines verschleppt wurden, trotzdem traf es die Frauen tief. Sie gaben überall an der Küste Bescheid, man möge nach dem fremden Schiff Ausschau halten und Niah retten.
    Die Frauen nahmen Maya mit. Sie gehörte zur Sippe, und alle kümmerten sich liebevoll um sie, während sie weiter über Land zogen und den Tag herbeisehnten, da Niah zu ihnen zurückkehren würde.

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    Vierzehntes Kapitel
    N achdem Niah und Maya fort waren, versank Tyndall in einem schwermütigen Zustand, der dann in Zorn und schließlich in rumtriefendes Selbstmitleid überschwenkte. Tyndall ließ sich regelmäßig vollaufen, damit er die Leere seines Daseins nicht mehr zu spüren brauchte und um die Verzweiflung über

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