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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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einander zu. »Das war eine herrliche Fahrt«, seufzte Olivia. »Ich muß wohl auch die See im Blut haben.«
    Plötzlich erinnerte sich Tyndall, daß ihre erste gemeinsame Seereise Olivia damals geholfen hatte, über den Verlust des kleinen James hinwegzukommen. Vielleicht würde eine zweite Fahrt die Trauer lindern, die sie meist so gut verbarg.
    »Hätten Sie Lust, ein paar Wochen auf der
Shamrock
mitzufahren? Wir schicken den Rest der Flotte los, segeln die Küste hoch, tauchen ein bißchen nach Perlen und versorgen die anderen Schiffe mit neuem Proviant. Ihre Gesellschaft täte vielleicht auch mir gut.«
    Olivia war voller Erleichterung. »Das ist eine wunderbare Idee! Ja, ich würde gern mitkommen. Rosminah könnte sich zusammen mit Minnie um Hamish kümmern.«
    »Er wird ganz schön beleidigt sein, wenn wir ihn nicht mitnehmen.«
    »Die Fahrt wäre zu lang für ihn. Außerdem geht er in die Schule.«
    Der Boy servierte das Essen, und Olivia gab weiter, was sie in den frisch gelieferten Londoner Zeitungen gelesen hatte. Dann kreiste ihr Gespräch um die Möglichkeiten, ihr Unternehmen zu erweitern.
     
    Als die Dessertteller abgeräumt wurden, erschien Minnie, um sich für den Abend zu verabschieden. Sie sah besorgt aus.
    »Was ist denn los, Minnie?«
    »Hab Zeichen gesehen. Großer Wind kommen.«
    »Ein Zyklon kann es nicht sein, dafür ist die Jahreszeit schon zu spät«, winkte Tyndall ab.
    »Zeichen sagen großer Sturm«, beharrte Minnie und wünschte ihnen eine gute Nacht.
    Olivia zog die Augenbrauen hoch. »Normalerweise geben Sie doch etwas auf die ›Zeichen‹. Was meinen Sie?«
    Tyndall stand auf und ging zu Olivias Barometer hinüber, das neben einer Schiffsuhr aus Messing an der Wand hing. Er klopfte auf das Meßinstrument, sein Blick wurde nachdenklich. »Es fällt. Aber nicht so stark, daß wir in Panik ausbrechen müßten.« Er ging zur Veranda und nahm seine Kapitänsmütze. »Danke für das herrliche Essen. Und für … Ihre Freundschaft. Keine Bange, die
Star of the Sea
segelt wieder auf dem richtigen Kurs.« Keck setzte er sich die Mütze schräg übers Ohr und trat in die Nacht hinaus. Sein Blick hob sich ängstlich zum Himmel.
     
    Am nächsten Morgen jagte der aufkommende Wind die ersten Wolken übers Land, der Seegang nahm zu, das Barometer fiel weiter. Olivia warf Minnie ein reuevolles Lächeln zu und eilte ins Büro. Auf dem Weg bemerkte sie, daß einige Geschäftsleute ihren Laden zumachten und man in Broome Vorbereitungen für eine ernstliche Katastrophe traf, die Vorräte an Wasser und Lebensmitteln aufstockte und alles festband, was sich nur befestigen ließ. Die Luft lastete drückend schwer über der Stadt.
    Olivia suchte wichtige Arbeitsunterlagen und Dokumente zusammen, die sie im Safe verschließen wollte, mußte aber entdecken, daß Tyndall die Schlüssel mitgenommen hatte. Während sie neben dem Safe kniete und überlegte, was sie tun sollte, heulte der Wind plötzlich auf, rüttelte an den Holzfensterläden und trieb ein leeres Stahlfass gegen die Mauer des Gebäudes. Das riß Olivia aus ihren Gedanken. Sie verschnürte die Papiere zu einem Bündel und rannte zum Ufercamp. Die ganze Bucht entlang herrschte fieberhaftes Treiben: Die Männer kletterten auf den Booten herum, zurrten Gerätschaften fest und warfen zusätzliche Anker aus. Der Ozean rollte mit schwerem Seegang herein, als wollte er Anlauf nehmen und immer mehr Kräfte schöpfen, um die Tiefen des Meeresgrunds nach oben zu wirbeln und an die Küste zu speien.
    Olivia blieb einen Moment stehen und lauschte. Über dem Lärm am Küstenstreifen drang ein fernes Stöhnen an ihr Ohr, das ihr einen Schauder über den Rücken jagte.
    Eine Flaute lähmte die Schiffe auf offener See, die nun keine Chance mehr hatten, den schützenden Hafen anzulaufen, und in der glühenden Hitze schmoren mußten wie in einem Backofen, aus dem alle Luft entwichen war. Es war so heiß, daß das Pech zwischen den Planken hervorsickerte, die Seeleute verbrannten sich an Metallteilen die Haut.
    Auf der
Annabella
beobachtete Kapitän Evans das rasant fallende Barometer und gab den Befehl, die Segel einzuholen, die Luken dicht zu machen und alles festzubinden oder sicher zu verstauen. Die beiden Dinghis wurden an Bord gezogen und befestigt, die Sturmanker heruntergelassen.
     
    Früh am nächsten Morgen schlug der Zyklon zu. Jäh und gewaltig brach er herein, Sturmböen heulten auf, der Regen peitschte auf die aufgewühlte See. Manche Kapitäne

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