Tränen des Mondes
versuchten, mit Sturmsegeln Fahrt zu machen. Kapitän Evans und auch einige andere Kapitäne beschlossen, Anker zu werfen und im Sturm auszuharren. Er wußte, daß ihre Überlebenschancen gering waren.
Als erster mußte ein alter, schwer mit Muscheln beladener Schoner dran glauben, der Masten und Takelwerk eingebüßt hatte, riesige Wellen schleuderten ihn gegen einen Logger. Beide Schiffe verschwanden rasch unter den Wellen, einige Überlebende ihrer Besatzungen hielten sich verzweifelt strampelnd über Wasser. Evans konnte nichts tun, um ihnen zu helfen. Obwohl der Heckanker ausgeworfen war, pflügte sein Schiff mit kahlen Masten und ratterndem, quietschendem Tauwerk durch die See. Evans hatte sich ein Rettungsseil um die Hüfte geknotet, das an einem Poller befestigt war, und drehte wie wild am Ruder herum, um einigen der übers Heck hereinbrechenden Wellen zu entgehen, die ihn über Bord zu spülen drohten und bald alles von Deck geschwemmt hatten.
Zuerst gingen die Dinghis über Bord, deren Vertäuung von den Wellen weggerissen wurde. Als nächstes verloren sie die Pumpe, dann die Klappe der Vorderdecksluke, und eine Wasserflut schwappte unter Deck, woraufhin die Kupanger panisch herausstürzten. Während sie über Deck rannten, um sich in der Hauptkabine in Sicherheit zu bringen, brach eine weitere Woge über das Heck herein und riß den Hauptmast um. Als das Wasser von Deck abgelaufen war, war von den beiden Kupangern nichts mehr zu sehen. Evans schaute hinter sich in die brodelnde See, konnte aber niemanden mehr entdecken. Er stieß die Tür zur Kajüte auf und schrie nach den Tauchern, die sofort an Deck kamen, die Lage erfaßten, sich Rettungsseile umbanden und sich augenblicklich daran machten, die Takelage und den Hauptmast in Stücke zu hauen, damit sie alles so schnell wie möglich über Bord befördern konnten. Sie wußten, daß ihr Überleben davon abhing, wie schnell sie arbeiteten, und das Glück mußte heute auf ihrer Seite sein.
Der Sturm wütete zuerst auf See, erreichte aber bald die Südküste Broomes, wo er sich Schneisen durch die Mangroven fraß und die ankernden Boote weit den Strand hinaufschleuderte. Die Stadt selbst wurde nur vom wild um sich schlagenden Schwanz des Zyklons getroffen, der trotzdem schwere Verwüstungen anrichtete. Olivia war wie betäubt von der Schlagartigkeit, mit der der Sturm losbrach. Kaum hatte sie die Hütten des Ufercamps erreicht, als der Wind sie schon davonzutragen drohte. Tyndall zerrte sie in einen der Muschelschuppen, doch gleich wurde das obere Stockwerk des leichten Gebäudes abgerissen, ganze Teile des Blechdachs wirbelten durch die Luft, wickelten sich um Baumstämme oder bohrten sich in das Holz der Bäume, die in dem rasenden Sturm all ihre Blätter verloren hatten.
Olivia und Tyndall konnten kaum verstehen, was der andere sagte. Olivia klammerte sich an Tyndall und schrie ihm ins Ohr: »Was ist mit Hamish?«
»Keine Bange, Minnie weiß schon, was zu tun ist. Sie wird sich um ihn kümmern.« Als plötzlich die Türen und das Dach des Schuppens davonflogen, schlang er seinen Arm fester um Olivia.
»Wir müssen hier raus, der Schuppen stürzt gleich ein. Das Blech könnte uns in Stücke schneiden«, brüllte Tyndall. Mit Olivia im Schlepptau kämpfte er sich schwankend in Richtung Strand. Der Logger eines anderen Perlenfischers war hoch an den Strand geworfen worden und lag umgekippt da, die Masten hatten sich in den Sand gerammt, der Kiel lag dem Wind zugewandt. Sie rannten auf ihn zu und kletterten in eine Luke.
Hier waren sie vor dem Wind und dem peitschenden Regen in Sicherheit. Gelegentlich brach sich eine starke Welle am Rumpf, doch das Boot war von der Wucht der ersten Woge so tief in den Schlick gepreßt worden, daß es sich nicht vom Fleck rührte.
Die beiden kauerten sich aneinander, und Tyndall schloß seine Arme um Olivia. Sie war mit ihren Gedanken bei ihrem Sohn und betete, daß er in Sicherheit war und nicht zuviel Angst litt. Immer wieder redete Tyndall beruhigend auf sie ein und versicherte ihr, daß Hamish bei Minnie gut aufgehoben war.
Draußen war es finster wie in der Nacht, und der Sturm tobte mit solchem Lärm, daß Olivia das Gefühl hatte, die ganze Welt berste entzwei.
Dann herrschte plötzlich Stille im Auge des Sturms, und sie sahen einander an.
»Es wäre zu gefährlich, wenn wir versuchen wollten, die Stadt zu erreichen«, meinte Tyndall. »Wir müssen das Ende des Sturms hier abwarten.«
Viel zu schnell war das
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