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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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vorschieben, die ganze Sache schleunigst aus der Welt schaffen. Er sprang auf, packte seinen Hut und stürzte aus dem Büro.
    Rosminah und der chinesische Koch eilten ihm schon entgegen, als er den Weg hinauf kam, und gleich bemerkte er den Schrankkoffer auf der Veranda.
    »Dame gekommen, Tuan, will nicht wieder weggehen. Kommt rein, setzt sich, verlangt Tee und Limonade. Sie Mem Tyndall, sagt sie, und nicht will hören, wenn ich sage weg, weg«, rief Ah Sing, der Koch, bestürzt.
    »Keine Sorge, Ah Sing, ich werde das gleich klären. Wo ist sie?«
    Der Koch, dessen rundes Gesicht unter einem Schweißfilm glänzte, antwortete: »In Wohnzimmer.«
    Rosminah trottete Tyndall nach, als er den Flur entlangging. »Mem mir sagt, ich soll auspacken ihre Sachen und waschen. Was soll ich machen, Tuan?«
    »Gar nichts, Rosminah. Ich werde mit ihr reden.« Tyndall holte tief Luft und ging in den Salon in der Mitte des Hauses, den er selten benutzte. Er blieb stehen und starrte Amy an, die in einem Korbstuhl saß, keiner von ihnen sagte ein Wort, während sich die Jahre in Nichts auflösten und sie beide einander scharf anblickten. Sie hatte sich ihre Figur bewahrt, obwohl ihre üppigen Formen wahrscheinlich durch ein Schnürkorsett gestützt wurden.
    Sie hielt eine Teetasse in der Hand, die sie behutsam abstellte. Dann streckte sie ihm eine weiche Hand entgegen und säuselte triumphierend: »Hallo, Johnny Tyndall!« Sie machte keinen Hehl daraus, daß sie sich über die Situation köstlich amüsierte, und musterte mit wahrer Begeisterung den eindrucksvollen, attraktiven Mann, der vor ihr stand. »Prachtvoll siehst du aus. Ich habe dich wegen deines Aussehens genommen, und du hast mich nicht enttäuscht.«
    Tyndall rührte sich nicht von der Stelle. »Warum bist du hier, Amy? Was für eine verrückte Idee! Ich kann nicht glauben, daß du einfach so in mein Leben hereinplatzt, als wäre nichts geschehen. Du hättest mir schreiben und deinen Besuch ankündigen können, statt mir nichts, dir nichts auf meiner Türschwelle aufzutauchen.«
    »Keine besonders nette Begrüßung! Ich mußte eine verdammt weite Reise machen, bis ich dich gefunden habe.«
    »Die Rückreise wird genauso weit sein. Du kannst hier nicht bleiben.«
    »Das ist doch wohl nicht dein Ernst! Ich bin deine Frau. Du stehst nur unter Schock«, versuchte sie ihn zu besänftigen. »Ich weiß, wie du dich fühlst, Johnny. Auch für mich war es ein Schock, als ich im Londoner
Telegraph
den Bericht über dich gelesen habe. Nach all den Jahren, in denen ich so viel gelitten habe, weil ich nicht wußte, was aus dir geworden ist, nachdem du mich verlassen hattest. Deine kleine Frau. Was habe ich getan, um das zu verdienen, Johnny?« Tränen quollen in ihre blauen Augen, ihre Stimme triefte vor Selbstmitleid.
    »Mein Gott, ich habe geglaubt, du wärst tot«, rief Tyndall. »Du konntest ja nicht warten, wie eine Frau es ihrem Mann schuldig gewesen wäre. Nein, du mußtest ja unbedingt ins glanzvolle London, und dann bist du einfach abgehauen und hast deinen Vater und mich im Glauben gelassen, du wärst gestorben. Was zum Teufel hast du denn getrieben?«
    »Ich glaube nicht, daß du das Recht hast, mich anzuschreien«, fuhr sie ihn mit stahlharter Stimme an. »Es war nicht leicht für mich, weißt du. Ich habe das Baby während der Grippeepidemie verloren, bin nach Schottland gegangen und habe gewartet, daß du zu mir zurückkehrst. Aber du bist niemals wiedergekommen!«
    »Das hätte ja auch keinen Sinn gehabt! Der Priester hat mir geschrieben, dein Vater sei gestorben und sie hätten gehört, du seist ebenfalls in London gestorben. Was sollte ich da tun? Und wie bist du überhaupt nach Schottland gekommen?«
    Sie senkte ihren Blick. »Ich hatte einen gütigen Wohltäter. Ohne Lord Campbell … und seine Familie«, schob sie hastig nach, »wäre ich verloren gewesen.«
    »Aha«, antwortete Tyndall bloß, dem nur zu klar wurde, wie Amy überlebt hatte. »Und warum bist du jetzt hier? Wenn du Geld willst, hättest du mir auch schreiben können.«
    »Hättest du auf einen solchen Brief geantwortet?« fragte sie und starrte ihn herausfordernd an.
    »Es gibt noch ein paar ehrliche Männer auf der Welt, auch wenn es dich überrascht, Amy.«
    »Ich will kein Geld. Nein, da irrst du dich.«
    »Was dann?«
    »Dich, meinen lieben Mann. Ich spüre, daß uns Gott und das Schicksal nach einem schrecklichen Mißverständnis endlich wieder zusammengeführt haben. Ich bin hier, um meinen

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