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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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kühl »herein« sagte, so als wohnte sie schon seit Monaten hier.
    Sie saß mit einem Satinumhang um den weißen Schultern am Frisiertisch und bürstete sich die langen blonden Haare. Kokett blickte sie zu ihm auf. »Du solltest nicht einfach so ins Boudoir einer Dame stürmen, Johnny. Aber schließlich bist du ja mein Mann.«
    »Ich habe Rosminah Anweisung gegeben, deine Sachen wieder zu packen. Hier wirst du nicht bleiben.«
    »Ich bin deine Frau. Das muß doch inzwischen schon die ganze Stadt wissen.«
    »Das mag auf irgendeinem Wisch aus Irland stehen, aber das wird sich bald ändern. Ich will die Scheidung, so schnell wie möglich.«
    »Mit welcher Begründung? Ich will keine Scheidung, und wenn du mich weiter so behandelst, wirst du bald als Narr dastehen oder, schlimmer noch, als Schuft.« Sie wandte sich wieder ab und betrachtete ihr Spiegelbild. »Und was hatte deine Exverlobte zu sagen?«
    Tyndall funkelte sie nur haßerfüllt an. »Amy, ich will, daß du aus meinem Haus verschwindest. Ich übernehme alle Kosten.«
    »Das weiß ich, Johnny. Aber ich bleibe trotzdem hier. Das ist auch mein Zuhause.« Sie lächelte schmal, doch in ihren Augen blitzte eine bösartige Kriegserklärung auf, die Tyndall einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Schön, dann ziehe ich eben ins Continental.«
    »Das scheint mir eine bedauerliche Geldverschwendung, Johnny. Ich werde sehr lange hierbleiben. Warum willst du unnötig für Klatsch sorgen?«
    Einen Moment lang schwieg er. Sie hatte nicht Unrecht, doch wenn er sie hier duldete, erkannte er damit stillschweigend ihre Rechte als seine Ehefrau an. Er mußte seine Taktik überdenken. Er drehte sich um und stürmte wieder aus dem Haus, hinunter zum Ufercamp.
    Amy trödelte beim Ankleiden nicht lange herum. Aus der aufgeregten Rosminah hatte sie bereits alles herausgequetscht, was von ihr zu erfahren war. Auch auf dem Dampfer hatte sie schon Erkundigungen eingezogen, so daß sie nun über eine ungefähre Vorstellung von Tyndalls Perlenunternehmen verfügte. Als sie fertig war, suchte sie einen passenden Sonnenschirm aus und schickte Rosminah los, um ihr ein Sulky zu besorgen.
     
    Olivias Gedanken flogen von einem Plan zum nächsten, als sie die vor ihr liegenden Aufgaben innerlich durchging. Sie konzentrierte sich ganz auf das, was es jetzt, da sie ihr Leben von Grund auf verändern mußte, als nächstes zu tun galt; nur so konnte sie die quälenden Gedanken an eine Zukunft ohne Tyndall von sich wegschieben.
    Das Klopfen an der Tür ließ ihr Herz stillstehen. Sie wollte mit niemandem reden. Doch schließlich warf sie die letzten Mappen und Ordner in eine Kiste und seufzte: »Herein.«
    Sie fuhr herum und erstarrte vor Schreck.
    Beide Frauen musterten einander stumm und unverhohlen.
    Für Olivia sah Amy völlig unpassend aus, viel zu pompös gekleidet mit ihrer hochgeschlossenen weißen Rüschenbluse, an der eine Brosche steckte, der geschnürten Taille und dem cremefarbenen, seitlich gerafften Seidenrock. Ihre spitzenbesetzten Handschuhe paßten zum Sonnenschirm, als Tüpfelchen auf dem i trug sie ein kesses Hütchen, an dem hinten eine Feder und eine glitzernde Hutnadel hochspitzten.
    Amy fand Olivias Erscheinung langweilig, ohne jede Eleganz. Olivias einfaches fliederfarbenes Kleid mit der Schärpe um die Taille, die durch kein Korsett eingeschnürt wurde, ihre Haare, die im Nacken mit einer schwarzen Samtschleife zusammengebunden waren, das Fehlen jeglicher Accessoires ließen auf eine Frau schließen, der ihr Äußeres entweder egal war oder die keine Ahnung von der neuesten Mode hatte. Doch mit widerwilliger Bewunderung gestand Amy sich ein, daß Olivia natürliche Schönheit besaß. Amy mußte die Gaben, die die Natur ihr geschenkt hatte, mit Geschick und Raffinesse hervorheben, was Olivia nicht nötig hatte.
    »Hallo, ich bin Mrs. John Tyndall. Sie müssen Olivia Hennessy sein.«
    Olivia wurde ganz starr, als sie das betonte ›Mrs. ‹ hörte. »Ja, ich bin Olivia Hennessy. Was kann ich für Sie tun?« Sie dachte nicht daran, Amys Namen zu wiederholen.
    Amy lehnte ihren Sonnenschirm an die Wand und begann einen ihrer Handschuhe abzustreifen. Sie wirkte völlig entspannt. »Ich dachte, ich sollte das Unternehmen meines Mannes kennenlernen. Könnten Sie mir die Grundzüge des Geschäfts erklären? Es gehört ja nun auch mir.« Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf.
    »Wie bitte?«
    »Ich bin Kapitän Tyndalls Gattin. Was immer er besitzt, besitze auch ich. Ich

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