Tränen des Mondes
würde gerne ein paar Perlen sehen.«
Olivia wurde rot und rang um Beherrschung. »Bei uns liegen die Perlen nicht einfach so herum. Sie werden auch nicht händeweise vom Meeresboden hochgeschaufelt«, gab sie schroff zurück.
»Tatsächlich? Aber das ist doch ein Perlenunternehmen, oder?«
»Wir handeln mit Perlmutt. Entschuldigen Sie, aber ich habe keine Zeit, mich darüber zu unterhalten. Es gibt jede Menge andere Leute, die Ihnen die Sache in einfachen Worten erklären können. Übrigens gehört das Unternehmen zur Hälfte mir. Als aktiver Teilhaberin, möchte ich betonen.«
»Damit sind wohl auch wir beide Partnerinnen.« Das Lächeln war aus Amys Gesicht nicht verschwunden.
Olivia ließ nun jeden Anschein von Höflichkeit fallen. »Solange ich daran beteiligt bin, werden Sie in diesem Unternehmen nicht mitmischen.«
»Das bleibt abzuwarten. Ich hoffe trotzdem, wir werden miteinander auskommen. Denn ich habe vor hierzubleiben. Bei meinem Mann.« Sie nahm ihren Sonnenschirm. »Guten Tag, Mrs. Hennessy.«
Olivia sah zu, wie sie aus dem Raum rauschte. Dann lief sie schnell zur Tür und warf sie mit einem lauten Knall hinter Amy ins Schloß. Ihre Wut verflog, sie ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und fühlte sich vernichtend geschlagen. Jetzt hatte sie also einen Eindruck von Amy gewonnen, das hatte dieser Besuch zweifellos bezwecken sollen. Sie begriff, daß diese Frau Tyndall und ihren Platz an seiner Seite um keinen Preis aufgeben würde. Amy war habgierig und von dem Reichtum, den sie gewittert hatte, genauso angezogen wie von Tyndall als Mann. Ihre Beziehung mochte ja flüchtig gewesen und, wie Tyndall geschildert hatte, nur auf Amys Zutun zustande gekommen sein, doch es lag deutlich auf der Hand, daß Amy hier eine angenehme neue Position in den Schoß gefallen war, von der sie nicht kampflos abrücken würde. Und Olivia erkannte, daß sie Amy, wenn es auf einen Kampf hinausliefe, nicht gewachsen wäre. Tyndall übrigens auch nicht.
Olivia schickte nach Ahmed, dem sie hastig erklärte, was sie vorhatte.
Ahmed hatte von Tyndall und Tobys Cousin, dem Gepäckträger, bereits von Amy erfahren. Verzweifelt schüttelte er den Kopf. »O Mem, sehr schlimme Sache. Mem Amy keine gute Frau. Tuan sagt, er schickt sie weg. Bald alles wieder in Ordnung. Sie bleiben, Mem. Wir brauchen Sie.« Er lächelte Olivia warm an. »Wir mögen Sie, Mem. Sie und Tuan heiraten später.«
»Ahmed, leider ist dabei ein kleines blondes Hindernis im Weg. Und wenn das Vertrauen, das ich zu einem Menschen hatte, einmal gebrochen wurde, bleibt es für immer erschüttert. Ich kann nicht einfach hierbleiben, während hier solche Dinge vor sich gehen. Auch ich habe meinen Stolz, weißt du. Und eins sag ich dir, Ahmed, an dieser Frau werdet ihr euch noch die Zähne ausbeißen. Und wie!«
Er nickte zustimmend. »Mir gefällt nicht, wenn Sie weggehen. Aber vielleicht ist es das Beste, für kurze Zeit. Wie kann Ahmed helfen?«
»Ich brauche zwei Boys, die mir packen helfen und meine Sachen zum Schiff bringen. Ich werde das Haus leer stehen lassen. Minnie wird darauf aufpassen. Ich werde versuchen, Yusef anderswo als Boy unterzubringen.«
»Er und Rosminah wollen heiraten. Vielleicht kann er in Tuan Tyndalls Haus arbeiten.«
»Ja, er wird sicher alle Hände voll zu tun haben, jetzt, wo Madame dort residiert. Ich kann immer noch nicht glauben, daß sie einfach bei ihm eingezogen ist. Oder doch, nachdem ich sie gesehen habe.«
Im Ufercamp gab Ahmed die Nachricht weiter, daß Amy Olivia bereits aufgesucht hatte und daß Olivias Entschluß, in zwei Tagen mit dem Dampfer abzureisen, unverrückbar feststand.
Tyndall trat gegen den nächstbesten Stuhl. »Dieses verdammte Weib! Wie kann sie es wagen, Olivia zu belästigen! Hast du versucht, ihr die Abreise auszureden, Ahmed? Hast du ihr gesagt, daß wir sie hier brauchen? Ich brauche sie auch, aber im Moment stoße ich bei ihr nur auf taube Ohren, fürchte ich.«
»Mem sagt, diese Lady wird uns machen Probleme. Aber Sie auch haben Mem Sorgen bereitet, Tuan.« Als Tyndall nichts erwiderte, schüttelte Ahmed traurig den Kopf. »Traurige Sache, Tuan. Sehr traurig.«
»Ahmed, ich schwöre dir, ich kriege das wieder hin. Gott weiß wie. Vielleicht wird es eine Weile dauern, aber ich werde mit Olivia vor den Traualtar treten, und wenn die Hölle oder die Sintflut über uns hereinbricht!«
Als Tyndall bei Sonnenuntergang vom Ufercamp aufbrach, wo er auf den Loggern gearbeitet hatte,
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