Tränen des Mondes
entschlossen. Ich möchte, so gut es geht, mein Gesicht wahren.«
»Was ist mit der geschäftlichen Seite? Du darfst nicht zu lange wegbleiben, Olivia.« Der Perlenpolierer hielt ihren überstürzten Umzug nach Fremantle immer noch für eine übertriebene Kurzschlußhandlung.
»Wenn ich zur Ruhe gekommen bin, werde ich alles noch einmal gründlich überdenken.« Sie lächelte kläglich.
»Ich wußte schon immer, daß du eine starke Frau bist, Olivia. Du mußt tun, was du für das Beste hältst.« Mabel umarmte sie. »Wir werden die Dinge hier im Auge behalten, und du brauchst uns nur Bescheid zu geben, wenn wir etwas für dich tun können.«
»Danke. Ich danke euch beiden.« Olivia umarmte sie.
Das war ihr tränenreicher persönlicher Abschied von Broome.
Bei Sonnenuntergang fuhren die Mettas mit Olivia und Hamish zum Kai hinunter und brachten sie auf den Dampfer. Das meiste Gepäck war schon vorausgeschickt worden und Olivia wollte nicht herumstehen, bis sie bei Flut ablegen konnten. Nach einem weiteren kurzen Abschied und liebevollen Umarmungen traten die Mettas den Rückweg an. Mabel tupfte sich mit einem Taschentuch über die Augen.
Hamish machte sich sofort mit Feuereifer daran, alle Winkel der Kabine zu inspizieren, so bemerkte er nicht den schmerzvollen Ausdruck im Gesicht seiner Mutter und ihren zusammengepreßten Mund, als sie von der Kabinentür das Schild mit der Aufschrift ›Kapitän Tyndall und Gattin‹ entfernte. Hier hätten sie ihre Flitterwochen verleben sollen, hier wartete eine Flasche Champagner mit einer Grußkarte des Schiffskapitäns auf sie. Olivia warf die Karte weg und ließ sich aufs Bett sinken.
Hamish stand vor seiner Koje, guckte aufgeregt aus dem Bullauge und sah die Tränen nicht, die seiner Mutter die Wangen herabliefen.
In den Uferschuppen arbeiteten die Mannschaften wie sonst auch und räumten am Ende des Tages auf, doch in Gedanken waren alle bei dem Dampfer, der gleich ablegen würde.
Ahmed hatte alles vom Bürofenster aus beobachtet und gesehen, daß Tyndall sich mit einer Whiskyflasche im Ufercamp herumtrieb. Wie seltsam die Wege Allahs doch waren, dachte er. Zwar litt er mit dem Kapitän, doch glaubte er, für diesen plötzlichen, bestürzenden Bruch in ihrem Leben müsse es einen höheren Grund geben.
Tobias Metta trat in den Schuppen und lockerte sich Krawatte und Kragen.
Tyndall blickte auf, brachte aber keinen Gruß hervor.
»Sie ist an Bord. Sie macht ihre traurigen Pläne wirklich wahr. Mabel und ich haben alles versucht, um es ihr auszureden. Aber sie ist eine willensstarke Frau, John. Und sie leidet sehr. Das alles hat sie schrecklich getroffen.«
»Ich begreife die Frauen nicht«, brummte Tyndall mit Verzweiflung in der Stimme. »Ich bin auch verletzt.«
»Mabel hat mir zu erklären versucht, daß Männer und Frauen die Dinge oft anders empfinden.«
»Das kann man wohl sagen! Warum konnte sie nicht bei mir bleiben, Toby?«
»Ihre Gefühle sind verletzt, und auch ihr Stolz. Jetzt müssen wir einfach abwarten, bis sich der Sturm gelegt hat. Dann sehen wir vielleicht klarer, wie es weitergehen wird.«
Tyndall füllte wieder sein Glas und schob dem Perlenpolierer die Flasche hin. Tobias goß sich ein ordentliches Glas ein. Er war kein Trinker, aber jetzt hatte er wirklich einen Whisky nötig, damit ihn der Mut nicht verließ. Er trank einen Schluck. »Mabel wundert sich, daß Sie nicht da unten sind. Beim Dampfer.«
»Was zum Teufel soll ich denn da? Mich noch mehr zum Idioten machen? Dann hätten alle nur noch mehr Anlaß, sich das Maul zu zerreißen. Übrigens hat Olivia uns ausdrücklich mitgeteilt, wir sollten uns ja nicht am Kai blicken lassen. Ich will sie nicht noch mehr aufregen.«
»Mabel meint, Sie sollten hingehen und sie von diesem verdammten Dampfer herunterzerren. Sie sagt, ihr liebt euch doch beide und benehmt euch wie zwei alberne Dickschädel.« Solche Worte zu äußern fiel ihm schwer, und er trank schnell einen weiteren Schluck, um seine Verlegenheit zu überspielen.
Tyndall sah seinen Freund an, dann knallte er plötzlich das Glas auf den Tisch, packte seine Kapitänsmütze und stürmte davon.
Tyndall erreichte den Kai, als die Dämmerung ins dunkle Lavendelblau des Abends überging. Nur wenige Leute standen noch dort und winkten gelegentlich, während der abfahrende Dampfer die Bucht durchquerte. Seine Lichter spiegelten sich funkelnd im ruhigen Wasser.
Vom Bullauge aus konnte Olivia den dunklen Streifen der
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