Tränen des Mondes
Taucher gelernt. Die stechen ein Loch in die Haut und schieben die Penisperle rein. Die Haut wächst darüber zu, und du treibst die Frauen zum Wahnsinn.«
Dem mußte Amy zustimmen, entzückt erkannte sie, daß eine Partnerschaft mit Gunther in mehr als einer Hinsicht Gewinn versprach.
Am nächsten Morgen kutschierte das Sulky Amy in aller Frühe, noch bevor es dämmerte, durch die ruhigen Straßen zum Haus auf den Klippen zurück. Sie ließ sich die Ereignisse der Nacht noch einmal durch den Kopf gehen. Wie es anscheinend für ihr Leben typisch war, tauchte eine Gelegenheit genau dann auf, wenn sie an Langeweile litt und auf der Stelle zu treten schien. Amy hatte nie darüber nachgedacht, ob sie die ersehnte Ablenkung selbst schuf oder ob der Zufall sie herbeiführte. In solchen Zeiten war Amy nur von einem Gedanken beflügelt: voranzukommen und ihre Lage zu verbessern.
Sie konnte Gunther nicht hundertprozentig vertrauen, doch er konnte ihr Eintritt in eine Welt verschaffen, in der es mehr für sie zu holen gab als in Broome. Eine Welt voller Schatten, möglicherweise auch voller Gefahren, und wenn Gunther vor der Wahl stünde, würde er zuerst sich selbst retten, bevor er an Amy dachte. Aber würde sie nicht dasselbe tun? Sobald sich eine bessere Gelegenheit böte, würde Amy sie bedenkenlos ergreifen. Sie benutzten einander, solange es ihnen beiden paßte. Amy verweilte einen Moment bei dem Gedanken, wie erstaunlich ihr eigenwilliges Bündnis war und ebenso die Faszination, die dieser Ganove auf sie ausübte. Dann hakte sie das Thema Gunther ab und begann über die Einzelheiten seines Plans nachzudenken. Er klang gut. Und äußerst gewinnträchtig.
Amy schickte Gunther eine Aufforderung, sie im
Weißen Lotus
zu treffen. Beim Jasmintee gab sie sich ganz geschäftsmäßig.
»Falls wir zu einer Einigung kommen sollten, wie schnell könnten wir von hier weg?«
»Ich bin flexibel. Du bist anscheinend scharf darauf, dich möglichst schnell von hier abzusetzen. Vielleicht müssen wir in Darwin auf das Eintreffen der Ladung warten.«
»Das wäre weniger gefährlich, als hier rumzusitzen. Sobald ich mein Kapital, äh, sichergestellt habe, halte ich es für das Beste, von hier zu verschwinden. Ich möchte weg, bevor Tyndall zurückkehrt und den Verlust entdeckt.«
»Hast du dir schon überlegt, wie du an die Perlen rankommst?«
Sie lächelte ihn kokett an. »Ich habe die Schlüssel zum Büro, aber nicht zum Safe. Um den zu öffnen, brauche ich einen Profi.«
»Und da fragst du mich? Wieso glaubst du, ich könnte einen Safe knacken?« Seine Augen funkelten amüsiert.
»Wenn du es nicht selber kannst, dann kennst du sicher jemanden, denke ich mir.«
»Das wird dich etwas kosten.« Er lächelte immer noch.
Amy wußte, daß Gunther sowohl das Fingergeschick als auch das Werkzeug besaß, die zum Knacken eines Schlosses nötig waren. Auf ihre Bitte hatte er allzu selbstsicher und gelassen reagiert. »Über die Kosten können wir sicher verhandeln, nicht wahr?«
»Ganz richtig.« Er wurde ernst. »Ich brauche ein, zwei Tage. Wie wär's mit Mittwochabend?«
Kurz vor Mitternacht ging Amy, die in ein dunkles Kleid geschlüpft war, zum Hafenviertel hinunter, öffnete leise die Tür zum Bürogebäude der
Star of the Sea
und schlich auf Zehenspitzen die Treppe hoch, obwohl das Haus leer war. Sie schloß die Tür zu Tyndalls Büro auf, setzte sich hinter seinen Schreibtisch und wartete.
Nach einer Weile ging sie zum Fenster und schaute hinaus auf die mondbeschienene Bucht. Es war ein traumhaft schöner Abend, die Flut war gerade auf dem höchsten Stand, umspülte die Mangroven und plätscherte gegen den alten Anleger. Der Anblick verzauberte Amy, versetzte sie beinahe in Trance. Alles war so friedlich, so schön. Doch plötzlich stieg Unbehagen in ihr hoch, weil die von der Schönheit da draußen geweckten Gefühle in einem so krassen Gegensatz zum Zweck ihres mitternächtlichen Besuchs in diesem Büro standen. Wie seltsam, dachte sie, jetzt bin ich ans andere Ende der Welt gefahren und nach so kurzer Zeit drauf und dran, einen Safe auszurauben und Geschäfte mit Piraten zu machen. Die Aussicht, kriminelle Taten zu verüben, setzte ihr weniger zu als die Frage, wie es so weit hatte kommen können, daß sie solche Handlungen ohne weiteres billigte. Wie war das passiert? Welche Kräfte waren im Spiel, hatten sie von einem irischen Dorf hierhergeführt, genau zu diesem Zeitpunkt? Die clevere, gewiefte Amy erlebte
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