Tränen des Mondes
hier weggebracht hast.«
Er grinste. Sie verstanden einander, denn sie waren vom gleichen Schlag.
»Hauen wir ab, solange da draußen noch Durcheinander herrscht. Vielleicht können wir sogar Vorteil aus der Sache schlagen. Vielleicht kratzt Tyndall ab, dann wären all deine Sorgen vorbei. Dann würde das Ganze dir gehören.«
»Warten wir erst mal ab. Bis jetzt ist noch alles beim Alten.«
Ahmed kam früh am nächsten Morgen, um einer verschlafenen Amy zu berichten, daß Tyndall Schiffbruch erlitten hätte und in einem sehr bedenklichen Zustand sei. »Er ist in seinem Haus. Arzt sagt, es geht ihm sehr schlecht – das Meer, die Sonne, Schnitte von den Korallen. Muß lange im Bett liegen.«
»Ich muß zu ihm, ihn pflegen. Mein Gott!« Sie rang die Hände und setzte einen schmerzvollen Blick auf, doch Ahmed blieb ungerührt.
»Mem, Arzt schickt Krankenschwester, und Rosminah sorgt gut für ihn.«
Amys aufgesetzter Kummer blätterte ganz schnell wieder ab, und sie herrschte Ahmed an: »Unsinn! Ich bin seine Frau. Ich werde ihn pflegen. Bitte warte, bis ich mich angezogen habe, und bring mich sofort zu ihm.«
»Ja, Mem«, erwiderte Ahmed und setzte sich auf einen Verandastuhl.
Sobald Amy außer Sichtweite war, erschien Yusef an der Verandatreppe und machte Ahmed ein dringendes Zeichen. Die beiden stahlen sich um die Ecke, und Yusef erzählte Ahmed von Amys heimlichen Treffen mit Gunther.
Amy richtete sich im Gästezimmer von Tyndalls Haus ein und verkündete, sie ziehe hier ein, um ihren lieben Mann zu pflegen. Sie schickte Rosminah ins Haus zurück, um ihre Kleider und ihre persönlichen Dinge zu holen, denn sie würde nicht von Tyndalls Seite weichen, »bis mein geliebter Mann wieder gesund ist.«
Tyndall dämmerte in einem halb bewußtlosen Zustand dahin und nahm nur verschwommen wahr, was um ihn herum vorging. Visionen von Haien und über ihn hereinbrechenden Wellenbergen verfolgten ihn, seine Haut brannte wie Feuer. Die starke Infektion an einem seiner Beine verursachte solche Schmerzen, daß der Arzt ihm Morphium verschrieb.
Amy schickte die Schwester sofort wieder weg, zog eine weiße Schürze und eine züchtige Bluse an und setzte sich zu Tyndall ans Bett. Der Arzt sah, daß sie nicht gewillt war, diesen Platz zu verlassen, und gab ihr daher sorgfältige Anweisungen zu den Medikamenten, die er Tyndall verschrieben hatte. Er sagte, er würde regelmäßig nach dem Patienten sehen, sie solle ihn jedoch holen, wann immer sein Zustand sie beunruhigte.
»Ich wache Tag und Nacht bei ihm, machen Sie sich seinetwegen keine Sorgen. Ich werde ihm meine ganze Aufmerksamkeit widmen.«
In ihren Worten klang eine solche Besorgnis, Fürsorglichkeit und innere Anteilnahme mit, daß sich der Arzt leise wunderte. Das war nicht das schillernde Geschöpf, das er durchs Continental hatte rauschen sehen. Er erinnerte sich, wie seine Frau sich mit ihren Freundinnen über Amy unterhalten hatte, und sann kurz über die Unergründlichkeit der weiblichen Psyche und das eifersüchtige Verhältnis von Frauen zu anderen Frauen nach. Amy schien ganz die ergebene Gattin und keineswegs die Frau von zweifelhaftem Ruf, als die seine eigene Frau und deren Freundinnen sie beschrieben hatten.
Inzwischen bat Ahmed Toby Metta, er solle Olivia einen Brief schreiben und von Tyndalls Unfall berichten.
Toby schrieb alle Einzelheiten in seiner Sonntagsschrift auf und legte dann die Feder beiseite. Dann blickte er zu Ahmed auf, der sehr gequält wirkte, und fragte: »Gibt's noch was, was ich schreiben soll, Ahmed?«
»Sag ihr, Ahmed macht sich große Sorgen um Tuan. Während er weg war, Mem Amy hat getroffen Karl Gunther. Mehrere Male. Auch nachts. Ahmed gefällt das gar nicht.«
Toby nahm die Feder wieder auf. »Mir gefällt das auch nicht, Ahmed. Aber vielleicht ist es besser, wir erwähnen Mrs. Tyndall in dem Brief überhaupt nicht.«
Amy machte es sich neben dem schlafenden Tyndall bequem und ordnete die Falten ihres Rocks über den weichen Samtsäckchen mit den Perlen, die sie sich um die Taille gebunden hatte. Sie lächelte auf ihren schlafenden Mann herab. »Armer Johnny. Das Schicksal nimmt manchmal seltsame Wege, nicht wahr, mein Lieber.«
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Neunzehntes Kapitel
M it dem Herannahen der Regenzeit kehrte der Clan aus der Wüste an die Küste zurück und schlug dort sein Lager auf. Hier würden sie wieder üppige Nahrung finden, Fische und Schalentiere in Hülle und Fülle.
Eines schönen Morgens machte sich
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